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Töchter, Söhne oder besser gar nichts

Von Gernot Stöger

Gastkommentare

Bei der Fußball-EM kommen in manchen Nationalhymnen die Frauen zu kurz.


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Bei der Fußball-EM werden vor jedem Spiel die Hymnen der beteiligten Nationen erklingen, und die Fußballer haben Gelegenheit mitzusingen. Die Österreicher werden das hoffentlich in der neuen Form - also mit Töchtern und Söhnen - tun.<p>Bei den Gruppengegnern wird es mit weiblicher Gleichberechtigung nicht ganz so genau genommen: Die Portugiesen etwa besingen in ihrer Nationalhymne zwar die Helden der See und deren ehrwürdige Vorväter, aber Frauen werden nur kurz und erst in der dritten, kaum je gesungenen Strophe erwähnt, da ist von "Küssen der Mütter" die Rede.<p>Nicht viel besser sieht es bei den Ungarn aus. In ihrem "Himnusz" kommen zwar Söhne und Töchter - in dieser Reihenfolge - vor, aber auch erst in der zweiten Strophe und als Nachkommen eines hierzulande wenig bekannten Hunnenkönigs namens Bendeguz.<p>Die Isländer hingegen erwähnen weder Männer noch Frauen, ihr "Lofsöngur" (Lobgesang) kommt sehr fromm daher, es ist sehr viel von Gott die Rede. Der wird zwar ziemlich weit hinten als "Feldmarschall der Nation", also als männliches Wesen, besungen, aber ein echtes Genderproblem stellt sich hier nicht.<p>Mindestens ebenso fromm gibt sich die Hymne der Schweiz, der Heimat unseres Nationaltrainers: "Betet, freie Schweizer betet", heißt es da, konkret wahrscheinlich für den Sieg der "Nati" gegen den jeweiligen Gegner, der im Verlauf der EM vielleicht auch Österreich heißen könnte.<p>Weder christlich noch beschaulich geht es in der Nationalhymne des Gastgeberlandes zu. Die französische "Marseillaise" hat nicht nur eine zündende Melodie, sondern auch einen recht blutrünstigen Text. Der beginnt zwar ganz neutral ("Auf, Kinder des Vaterlandes!"), aber dann werden die Bürger zu Waffen gerufen - und zwar nur die männlichen, weil der böse Feind ihren Gefährtinnen die Kehle durchschneiden wolle, weshalb sein unreines Blut die Furchen tränken möge. So wird es bis heute gesungen, politische Korrektheit hin oder her.<p>Auch die Italiener beginnen ihre Hymne mit "Fratelli d’Italia", also mit den Brüdern der Nation. Eine Frau kommt zwar etwas später und immerhin als Siegesgöttin Victoria vor. Gleich darauf wird sie aber als "Sklavin Roms" bezeichnet, für die Göttin doch eine untergeordnete Rolle. Sie muss sich auch die Frage gefallen lassen, wo sie denn bleibe, um den "Fratelli" endlich zum Sieg zu verhelfen. Besiegt sollen die Österreicher werden, deren Adler im Verlauf des Textes als etwas zerrupft dargestellt wird.<p>

Einigkeit statt Frauen und Wein oder gar kein Hymnentext

<p>Auch die sonst auf politische Korrektheit bedachten Deutschen zeigen wenig Genderbewusstsein: "Brüderlich" werden Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland gefordert, von Schwestern ist keine Rede. Das war nicht immer so, denn im ursprünglichen Text des "Deutschlandliedes" bejubelte August Heinrich Hoffmann von Fallersleben noch "Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutschen Wein und deutschen Sang", aber das gilt heute als unzeitgemäß und wird nicht mehr gesungen.<p>Fein heraus sind die Tschechen: Ihr "Kde domov muj" (Wo ist meine Heimat?) besingt die lieblichen Haine und Fluren Böhmens und Mährens, wogegen niemand etwas einwenden kann. Noch besser dran sind die Spanier: Ihr "Marcha Real" (Königlicher Marsch) kommt ganz ohne Text aus. Die Spieler brauchen gar nicht mitzusingen.

Zum Autor:

Gernot Stöger ist ehemaliger Richter und war zuletzt Vorsteher des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha.