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Bürgernähe statt Warteschlange

Von Florian Hartleb

Gastkommentare
Florian Hartleb ist Politikberater, Mitarbeiter der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und lehrt auch an mehreren Universitäten.

Die öffentlichen Verwaltungen sind zwar schon digitalisiert, aber noch nicht europäisiert.


Öffentliche Verwaltungen experimentieren quer durch Europa mit neuen digitalen Lösungen. Wo gibt es Online-Plattformen statt Aktenberge? Einige Beispiele zeigen: Es geht voran. Was aber noch fehlt, ist eine europäische Vernetzung.

Gerade Österreich prescht mit einer Bürgerkarte mit Handy-Signatur vor, die immer mehr Bürger nutzen. Wer Geburtsurkunde, Strafregisterauszug oder Parkschein über ein E-Government-Portal beantragt, zahlt nun viel weniger Gebühren. Es gibt 40 Prozent Rabatt, wenn Verwaltungsdienstleistungen online genutzt werden.

Die ersten Erfahrungen sind sehr positiv. Der Bund will nun weitere Anreize schaffen und den Bürger dabei mitnehmen. Die Beratungsfirma Accenture sieht Österreich in der digitalen Verwaltung sogar auf Platz eins in der EU.

Estland, das kleine Land im Norden, ist digitaler Trendsetter. Ohne Bargeld zahlen? Steuererklärung per Mausklick? Weltrekord in der Firmengründung mit 18 Minuten? Programmieren bereits in der Grundschule? Alles kein Problem. Schon jetzt sparen sich die estnischen Bürger die allermeisten Verwaltungsgänge - sieht man von Hochzeit, Scheidung oder Notar-Terminen ab. Mehr als 600 Dienste können Bürger online nutzen, für Unternehmen sind es sogar mehr als 2000. Technische Basis ist die sogenannte X-Road. Diese Infrastruktur fasst viele Datenbanken aus dem privaten und dem öffentlichen Bereich zusammen.

Auch in Schweden ist die öffentliche Verwaltung digital: Behördenpost soll künftig nur noch digital versendet werden. Rezepte in Papierform sind von gestern, in der Apotheke reicht der Ausweis. Durch den guten Service zählen die Steuerbehörden sogar zu den beliebtesten Behörden des Landes. Ähnlich wie in Estland sind die Steuererklärungen schon vorab ausgefüllt und müssen nur noch unterschrieben werden. Mehr als 75 Prozent aller Schweden nutzen die digitalen Angebote des Staats bereits, zeigt der E-Government-Monitor 2015.

Kommen wir zum Süden Europas: Entgegen so manchen Vorstellungen setzt zum Beispiel Italien auf "revolutionäre" Einschnitte in der öffentlichen Verwaltung. Mit IT sollen Kosten massiv eingespart werden. Jede öffentliche Verwaltung in Italien kann über diesen virtuellen Markt ihre Lieferanten auswählen. Der gesamte Beschaffungsprozess läuft digital.

Die Wirtschaftsmacht Deutschland hinkt hingegen hinterher, auch in der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen. Bedenkenträger geben den Ton an, etwa wegen Datenschutz und Störerhaftung bei Wlan. Gleichwohl will man nun die vierte industrielle Revolution ausrufen. Während die nationalen Aktivitäten europaweit an Fahrt aufnehmen, fehlt der systematische, länderübergreifende Austausch von Dienstleistungen und Ressourcen zwischen den EU-Verwaltungen. Eine Kooperation über Ländergrenzen hinweg findet bisher nur vereinzelt statt. Das betrifft eben auch die öffentliche Verwaltung. Ganz aktuell: Die gewaltige Herausforderung durch den Flüchtlingszustrom lässt sich nur digital lösen, von der Registrierung bis hin zur Bereitstellung von E-Learning-Programmen für Sprach- und Kulturerwerb.