Zum Hauptinhalt springen

Welthandelsverirrungen

Von Stefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und Internationale Beziehungen.
© privat

Replik auf den Gastkommentar von Maren Häußermann.


Manchmal ist es wirklich erstaunlich, wie viel Falsches man mit einem kurzen Kommentar unterbringen kann. Jüngstes Beispiel ist der Gastkommentar von Maren Häußermann über die möglichen Konsequenzen einer künftigen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP).

Häußermann behauptet, das "Embargo" der EU gegen Russland gehe "eigentlich nicht in Ordnung", weil es eine WTO-Verpflichtung zur Gleichbehandlung gebe. Die Autorin meint wohl, das Prinzip der Meistbegünstigung würde verletzt. Abgesehen davon, dass sowohl das WTO-Recht wie auch das allgemeine Völkerrecht natürlich – unter Einhaltung bestimmter Regeln – das Verhängen von Wirtschaftssanktionen ermöglichen würde, scheint einfach ein falsches Verständnis von Meistbegünstigung vorzuliegen. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip müssen Handelsvorteile, die einem Vertragspartner gewährt werden, im Zuge der Gleichberechtigung allen Vertragspartnern gewährt werden.

Ein kurzer Blick in die sogenannten EU-Russlandsanktionen zeigt, dass dieses Prinzip jedoch gar nicht tangiert ist. Der EU-Markt steht russischen Waren und Dienstleistungen weiterhin offen. Einschränkungen bestehen für den Handel mit bestimmten Waren und Dienstleistungen aus der EU nach Russland. Lediglich Einfuhren aus der Krim und aus Sewastopol in die EU sind verboten, es sei denn, diese werden von einem Ursprungszeugnis der ukrainischen Behörden begleitet. Das hat aber damit zu tun, dass die EU eben die von Russland besetzten Gebiete nicht als russisches Territorium anerkennt. Eine Verletzung der Meistbegünstigung nach WTO-Recht existiert also gar nicht.

Häußermann führt aus, dass die WTO ein Abgehen von der Meistbegünstigung bei Freihandelsabkommen vorsieht. Sie übersieht, dass dies auch für Zollunionen gilt. Daraus aber auch eine Diskriminierung abzuleiten und sich darüber zu beschweren, dass dadurch das WTO-Mitglied Schweiz gegenüber den EU-Staaten schlechtergestellt ist, zeugt einfach von absoluter Ahnungslosigkeit im Bereich Welthandelsrecht.

In der Folge versteigt sich die Autorin noch zur Mutmaßung, dass durch ein künftiges mögliches Abkommen EU-USA (TTIP) andere Staaten im Handel benachteiligt werden könnten, "weil diese sich nicht an TTIP-Regeln halten". Als Beispiel führt sie gar das Verbot von Kinderarbeit an. Wer tatsächlich behauptet, eine TTIP-Bestimmung zur Vermeidung von Kinderarbeit führe zu einer ungerechten Diskriminierung und schade damit Kinderausbeuter-Staaten bei der Ausübung ihres schändlichen Tuns, der hat den Boden des guten Geschmacks und der Menschlichkeit verlassen.

Die Schlusshypothese, wonach ein mögliches TTIP-Nein der EU zu Importproblemen von Produkten aus TTP-Ländern führen würde, setzt der Welthandels-Verirrungen der Autorin die Krone auf. Die Transpazifische Partnerschaft (TTP) ist ein Freihandelsabkommen der USA mit pazifischen Anrainerstaaten. Das hat auf die Warenströme eines Freihandelsabkommen EU-USA keine Auswirkung. Denn in einem Freihandelsabkommen sind nur die Waren der jeweiligen Vertragspartner zur freien Zirkulation vorgesehen. Alle anderen unterliegen den normalen Außenhandelsregeln. Das ist auch der Grund warum bei Freihandelsabkommen umfangreiche Bestimmungen zu Ursprungsregeln enthalten sind. Häußermanns Befürchtungen beruhen wohl auf einer Verwechslung von Freihandelszonen mit Zollunionen. Bei einer Zollunion würden tatsächlich alle Waren frei bewegt werden können. Doch davon sind die EU und die USA meilenweit entfernt. Fast so weit entfernt wie der Kommentar von Maren Häußermann von den tatsächlichen Regeln und Bestimmungen des Welthandelsrechts.