Zum Hauptinhalt springen

Der "schwarze Juli" und seine Folgen

Von Florian Hartleb

Gastkommentare
Florian Hartleb ist Politikberater, Mitarbeiter der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und lehrt auch an mehreren Universitäten.

Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel könnte ihre Willkommenskultur politisch noch Schaden zufügen.


Neben Frankreich hat auch Deutschland einen "schwarzen Juli" des Terrors erlebt: der Amoklauf als gefühlter Terror in München, Einzeltäterterrorismus in Würzburg und das Selbstmordattentat in Ansbach sorgen weltweit für Entsetzen. Offen wird nun im In- und Ausland über die Notwendigkeit einer anderen Politik diskutiert, obwohl keine direkte Verbindung zur Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel im vergangenen Sommer besteht, die deutschen Grenzen für muslimische Flüchtlinge zu öffnen.

Anders als Frankreichs Staatspräsident François Hollande war Merkel nicht gleich am Ort eines traurigen Geschehens. Erst spät bezog sie in einer Pressekonferenz Stellung. Dabei erneuerte sie ihr Mantra: "Wir schaffen das!" Sie habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Sicher, Merkel hat recht, Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht zu stellen, ebenso Sicherheits- und Integrationsfragen nicht mit der Flüchtlingsherausforderung zu vermengen. Der Amokläufer aus München etwa ist dort geboren und aufgewachsen, galt als sozialisiert.

Doch wird auch nach dem "schwarzen Juli" deutlich: Merkel will das zentral gewordene Problem der Sicherheit technokratisch angehen, wirkt sachlich-kühl, fast mechanisch. So beinhaltete ihr Neun-Punkte-Plan wenig Neues: mehr Präventionsarbeit, besserer Datenabgleich, Bemühungen um eine schnellere Rückführung abgewiesener Asylbewerber. Die starke Polarisierung in der Gesellschaft kann sie dabei nicht stoppen. Die weniger werdenden Unterstützer ihrer Politik fühlen sich bestätigt, die Ablehner werden agieren und sich radikalisieren. Das gilt nicht nur für die Rechtspopulisten, sondern auch für die Schwesterpartei CSU. Alle Anschläge fanden in Bayern statt, wo man auf eine Law-
and-Order-Politik immer besonders stolz war. Die Anschläge treffen die bayerische Seele ins Mark. Ein Sicherheitspaket wird nun das andere jagen. Maßnahmen wie die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen oder der Einsatz gepanzerter Fahrzeuge wurden schon beschlossen. An den Stammtischen wird es weiter grummeln, Merkel dort kaum noch vermittelbar sein. Das Parteiblatt "Bayernkurier" bezeichnete nach dem Amoklauf in München Merkels Flüchtlingspolitik offen als katastrophal. Die Sicherheitsrisiken seien unabsehbar. Es ist unwahrscheinlich geworden, dass die CSU Merkel im bald anstehenden Bundestagswahlkampf offen unterstützen wird. Die drohenden Erfolge der Rechtspopulisten etwa in Österreich, Frankreich und den Niederlanden zeichnen sich auch deshalb ab, weil Merkels Willkommenskultur ihr zentrales, demagogisch ausbeutbares Feindbild ist. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders etwa twitterte nach München eine Fotomontage, die Merkel mit blutbefleckten Händen zeigte.

Schlimmer ist aber noch, dass die Terrorangst bleiben wird. Es bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Anschlagswelle nicht fortsetzt. Wenn doch, könnte der Begriff "Willkommenskultur" zum Unwort des Jahrzehnts werden, zumal Merkel bei ihrem Kurs bleibt. Auf ihrer Kanzlerschaft würde in diesem schlimmen Fall ein tiefer Schatten lasten - unabhängig, ob sie dieses Amt nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 noch bekleiden wird.