Zum Hauptinhalt springen

Die zeitlose Schönheit von Raiffeisens Reich

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Lehrbeauftragter und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.

Die zuständigen Gremien werden sich voraussichtlich bald für eine Fusion von Raiffeisen Zentralbank Österreich (RZB) und Raiffeisen Bank International (RBI) ausgesprochen haben. Das bisherige Zentralinstitut der dreistufigen österreichischen Raiffeisen-Bankengruppe würde - Eigenkapital entlastend und Strukturen vereinfachend - dann auf seine 60,7-prozentige börsennotierte Tochtergesellschaft verschmolzen.

Mit der RZB gelangen deren so unterschiedliche Sektorbeteiligungen in die RBI wie zum Beispiel die Raiffeisen Bausparkasse, Kapitalanlagegesellschaft und Wohnbaubank, aber auch die kürzlich reduzierte Beteiligung an der Versicherung Uniqa. All dies Institute tragen dazu bei, dass die lokalen Raiffeisenbanken in einem Allfinanzverbund als universale Finanzdienstleister sehr erfolgreich arbeiten können.

Die Raiffeisenbanken bestehen nach dem ur-raiffeisenschen Prinzip. Danach sollen Gewinne als Zukunftsvorsorge in der Genossenschaft verbleiben. Generation für Generation hat man es so fortgesetzt. Dadurch gründen diese Bankgenossenschaften ihre Entwicklung sehr weitgehend auf die eigene Ertragskraft und sind von Mitgliederbewegungen nahezu unabhängig geworden.

Die Fusion an der Spitze wirkt hoffentlich nicht bis zur Basis

Dieses einmalige Konstruktionsprinzip verleiht gerade den vielen kleineren wie größeren Instituten ihre Eigenart - nicht nur in Bezug auf die Größe, sondern auch auf den Einzugsbereich, auf die Präsenz mit Hauptstelle und Filiale(n), auf die Breite der geschäftlichen Kenntnisse der Mitarbeiter ebenso wie auf den Rückhalt bei größeren, spezialisierteren Geschäften durch die zugehörige Raiffeisen-Landesbank und schließlich durch das nationale Spitzeninstitut, aktuell die RZB.

Es ist zu hoffen, dass die Fusion an der Spitze nicht bis zur Basis wirkt. Denn ein Bankensystem lebt von institutioneller Vielfalt mit vielen regionalen Kreditinstituten in unterschiedlichen Rechtsformen. Das Geschäftsmodell einer regional tätigen Bank oder Sparkasse besitzt nachweislich Vorteile gegenüber großräumiger arbeitenden Kreditinstituten, das ergibt sich zum Beispiel aus der Forschung von Thomas Gehrig, Professor am Institut für Finanzwirtschaft der Universität Wien, der dies auch theoretisch ableitet. Damit fundiert er zugleich eine marktnahe nationale Bankenaufsicht, wie sie in Österreich die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank bilden.

Nach der Fusion von RBI und RZB wäre eine Beteiligung an der Aktie des künftigen Spitzeninstituts nicht mehr nur ein Investment mit einer "Osteuropa-Fantasie" und einer breiten Basis im österreichischen Kommerzkundengeschäft, sondern würde auch ein umfangreiches Portfolio an Beteiligungen umfassen. Dies alles sind wertvolle Vermögenswerte, die der RBI-Aktie in Zukunft noch mehr Potenzial verleihen dürften.

Bankfiliale vor Ort ist immer noch sicherer als Telebanking

Es mag etwas überzeichnet klingen, aber auf dem "Altar des Kapitalmarktes" - an der Börse - werden durch den Verzicht von Generationen an der Basis aufgebaute Vermögenswerte eingebracht und gegen RBI-Aktien getauscht. Man könnte den Mitgliedern einer Raiffeisenbank empfehlen, sorgfältig zu prüfen, ob sie nicht die RBI-Aktie erwerben sollten, bevor es andere tun. Denn es dürfte niemanden verwundern, dass diese Ausstattung Begehrlichkeiten wecken könnte oder auch schon geweckt hat. Doch mit nur kurzfristigem Erfolg, um den Preis, den dauerhaften Fortbestand eines kleinräumigen, durch viele rechtlich selbständige Raiffeisen-Bankgenossenschaften und viele verschiedenartige Beschäftigungsmöglichkeiten gekennzeichneten Systems zu verlieren.

Vielleicht mutet es nostalgisch an, in einer sich sozial vernetzenden und scheinbar kleiner werdenden Welt, doch überschätzen wir nicht die Reichweite unseres eigenen Handelns. Es ist immer noch persönlicher und sicherer, vor Ort eine Bankfiliale aufsuchen zu können als via Telefon oder Internet mit hunderte Kilometer entfernt arbeitenden Beratern eines Finanzdienstleisters zu kommunizieren, dessen Zentrale heute noch einem österreichischen, aber morgen vielleicht schon einem europäischen und übermorgen womöglich einem Unternehmen aus einem anderen Kontinent gehört - mit verständlicherweise ganz eigenen Interessen.

Es wäre zu hoffen, dass auch das Meinungsbild der Mitglieder und ihrer Raiffeisen-Bankgenossenschaften innerhalb des Prüf- und Entscheidungsprozesses zur Fusion abgefragt, gehört und berücksichtigt wurde. Die Generationen vor ihnen, die auf die Fortgeltung der Raiffeisen-Grundsätze vertraut und das Heutige ermöglicht haben, können sich selbst nicht mehr zu Wort melden.

Ein Plädoyer für ein über Generationen gewachsenes Werk.