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Wenn zwei streiten: Stadt Wien gegen die städtischen Ärzte

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Zwischen Wiener Ärztekammer und Stadtregierung fliegen die Fetzen. Dahinter stehen entweder politische Motivation oder falsche Ausgangsdaten.


Via Presseaussendungen richtet die Generaldirektion des Krankenanstaltenverbundes (KAV) der Ärztekammer aus, sie lüge, stilisiere den KAV zum Feindbild und betreibe Zuchtmeisterei; keine feine Klinge. In einer dieser Aussendungen fand sich eine bemerkenswerte Aussage. Demnach habe die Ärztearbeitszeit vor der Arbeitszeit-Umstellung nur 46 Wochenstunden betragen. Die EU erlaubt 48 Wochenstunden. Demnach hätte der KAV keinen Grund gehabt, schnell eine Reform durchzuführen. Wenn die veraltete Dienstzeitregelung geändert werden sollte, hätte Wien sich Zeit lassen können. Trotzdem wurde alles sehr schnell geändert und davon gesprochen, dass es zu einer Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich kommen soll. Aber das ist unverständlich, weil es ja, wenn die 46 Stunden stimmen, zu einer Gehaltserhöhung und nicht zu einer Kompensation des Verdienstentganges durch reduzierte Anwesenheitszeiten gekommen wäre. Ein Argument, das aber erst seit wenigen Tagen vorgebracht wird. Stimmen die 46 Stunden, wird auch ein anderes Argument der Stadt verständlich, nämlich, dass es nur zu einer Verlegung der Arbeitszeit kommt und nicht zu einer Reduktion, es also keinen Grund gibt, dass weniger Patienten versorgt werden können.

Aber stimmen die 46 Stunden? Die Arbeitszeitaufzeichnung im KAV ist schlecht. Und auch die komplizierte Berechnung der Arbeitszeit dürfte nicht gut gelingen. Will man wissen, wie viele Wochenstunden, arbeitsrechtlich korrekt berechnet, gearbeitet wurden, darf man nicht einfach die geleisteten Stunden durch die Kalenderwochen dividieren. Der Divisor ist kompliziert, um Abwesenheitszeiten zu bereinigen. Wird nicht sauber gerechnet, verliert man schnell den Überblick. Real dürfte die Arbeitszeit bei 55 Stunden gelegen haben. Und genau da werden die Argumente der Ärztekammer verständlich. Denn dann verfügt der KAV aktuell über 15 Prozent weniger ärztliche Arbeitszeit als noch vor zwei Jahren. Das führte zu keiner Verlegung der Arbeitszeit, sondern zu einer Reduktion und einer Arbeitsverdichtung. Es legt also ein Problem vor, das einer objektiven Annäherung bedarf - wie viele Stunden waren Ärzte anwesend und wie viele sind sie es nun. Aber eine sachliche Herangehensweise ist zwischen den Verhandlungspartnern unmöglich. Auf der einen Seite die Stadt.

Hier herrscht eine straffe Organisation, in der Loyalität großgeschrieben wird. Wenn oben etwas beschlossen wird, ziehen alle mit.

Und auf der anderen Seite steht die Ärztekammer, die erst vor kurzem die Rolle der Vertreter der Spitalsärzte von der Gewerkschaft übernommen hat. Das Vertrauen in die Kammer ist gering. Kein Arzt wird seine Meinung an die seines Präsidenten anpassen. Damit ist der Präsident ein von der Basis getriebener. Und während die Stadt "oben" etwas ausmachen kann, stellt die Kammer fest, dass sie gar nichts von oben nach unten "befehlen" kann. So prallen zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander. Und weil keiner Verständnis für den anderen hat und weil beide sich beflegeln, können sachlich lösbare Probleme nicht gelöst werden.