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Der implizite Wahlkampf

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Neben der Präsidentenwahl findet noch ein zweiter, unausgesprochener Wahlkampf auf offener Bühne statt.


Wenn man sagt: Österreich ist im Wahlkampf - dann ist das ein Satz, der derzeit erstaunlicherweise gleich doppelt wahr ist. Denn Österreich ist nicht nur in einem, sondern in zwei Wahlkämpfen.

Da ist zum einen der explizite Wahlkampf. Jener um das Amt des Bundespräsidenten. Dieser wird auch in seiner dritten Auflage nicht schöner. Es gibt sogar eine Steigerung der Grauslichkeiten - noch ehe die Kontrahenten auch nur einmal gegeneinander in den Ring gestiegen sind. Es kursieren Morddrohungen gegen Van der Bellen, gepaart mit böswilligen Gerüchten über seinen Gesundheitszustand. Tiefer geht es nicht mehr. Es sind die Kohorten in den sozialen Medien, die diese Drecksarbeit leisten.

Und während diese Schlammschlacht bereits tobt, noch ehe es richtig losgegangen ist, findet gleichzeitig noch ein zweiter Wahlkampf statt. Es ist ein Wahlkampf der besonderen Art, der sich da neben dem expliziten Wahlkampf entfaltet. Es ist der implizite, der unausgesprochene aber darum nicht weniger heftige Wahlkampf der sogenannten "Quertreiber"-Truppe. Allen voran mit wehendem Haar prescht Außenminister Kurz, dicht gefolgt von Innenminister Sobotka. Während Klubobmann Lopatka die Attacken mit seinen eigenen Pirouetten begleitet.

Ja, es ist ein Wahlkampf, dieses Stakkato an täglichen Vorschlägen - von den Ein-Euro-Jobs bis zum Burkaverbot. Was diese Truppe betreibt, ist die FPÖ-isierung der ÖVP. Inhaltlich - mit einer ganzen Palette der Law-and-Order-Themen - und formal - indem sie die Vorgangsweise der FPÖ, die populistische Strategie, übernimmt. Agiert der Populismus gemäß einer Logik, die "das" Volk gegen die "Elite" in Stellung bringt - so nimmt diese Logik bei den "Quertreibern" eine eigenwillige Form an. Ist es doch ein Teil der Regierung, der Populismus gegen ebendiese betreibt. Ein Teil gehört dieser Regierung an und sabotiert sie gleichzeitig. Ein Teil der Regierung agiert also wie eine Opposition - und macht Wahlkampf gegen diese. Es ist ein impliziter, ein unausgesprochener Wahlkampf auf eigene Faust. Es ist ein Wahlkampf, der der Regierungsauflösung vorangeht. Einer, der eben diese Regierung untergraben soll.

Dazu passt es, dass die FPÖ "Macht braucht Kontrolle" plakatiert, aber gleichzeitig voll des Lobes für Kurz ist - der für sie, obwohl Außenminister, nicht Teil des sogenannten "Machtkartells" zu sein scheint.

Die "Quertreiber" untergraben aber nicht "nur" die Regierung. Sie untergraben auch ihre eigene Partei. Das ist nicht nur ein Fraktionskampf. Es ist zugleich auch die Reduktion einer Volkspartei auf eine Kulisse - eine Kulisse für unkontrollierte, selbstgesteuerte Ich-AGs und deren Starke-Männer-Inszenierung.

Mit ihren markigen Sprüchen untergraben die Quertreiber aber auch alle Politik, die auf Pragmatik und Kompromiss ausgerichtet ist. Sie versetzen alle rationale Politik in einen ständigen Abwehrmechanismus. Wenn der Populismus schon Teile der Regierung ergreift, dann ist die Populismus-isierung des Landes bereits weit fortgeschritten. Man braucht sich da keine Illusionen machen: Dieser implizite Wahlkampf hat ein ganz explizites Ziel. Es heißt Schwarz-Blau. Oder Blau-Schwarz.