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Wer gewinnt den Steuerpott?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare

Die EU-Kommission, konkret die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, hat Irland dazu verdonnert, von Apple 13 Milliarden wegen zu Unrecht nicht bezahlter Steuern für die vergangenen 25 Jahre nachzufordern. Apple-Chef Tim Cook hat dieses Urteil (nicht ganz unverständlich) als "vollkommen falsch" und "Scheiße" bezeichnet. Irlands Regierungschef Enda Kenny hat es bisher nicht geschafft, sein Kabinett dazu zu bringen, dieses Urteil anzufechten. Er hat vollmundig angekündigt, dieses Geld nicht annehmen zu wollen.

Die Urteilsbegründung, die bisher nicht veröffentlicht ist, da Apple zustimmen müsste, hat auch angedeutet, dass eventuell auch andere EU-Länder einen Teil dieser Steuereinnahmen erhalten sollten, da alle europäischen und auch einige außereuropäische Aktivitäten des US-Konzerns nominell von Irland ausgehen, womit Apple im Jahr 2015 Gewinne von etwa 18 Milliarden Euro erzielt hat. EU-Kommissarin Vestager hat den besonderen Steuerdeal, den Apple mit der irischen Steuerbehörde 1991 vereinbart hat, als wettbewerbsverzerrend bezeichnet, da er nur für Apple gilt und der Konzern heuer nur 0,005 Prozent Gewinnsteuer bezahlt hat statt der 12,5 Prozent Körperschaftsteuer, die Irland generell einhebt.

Schon vorige Woche haben die USA der EU diesbezüglich vorgeworfen, sich zu einer globalen Steuerbehörde aufzuspielen und damit auch international vereinbarte Steuerabkommen zu brechen. Und sie haben damit gedroht, gegebenenfalls Retorsionsmaßnahmen zu beschließen, wenn die EU weiterhin "amerikanische Konzerne gezielt zur Kassa bitte". Apple hat offenbar außerhalb der USA Cash von 215 Milliarden Euro gebunkert, die in Niedrigsteuerländern veranlagt sind, da der Konzern in den USA, bei Repatriierung dieser Gelder, den Körperschaftsteuersatz von 35 Prozent bezahlen müsste. Apple argumentiert, dass es früher oder später diese Steuern in den USA bezahlen müsse, daher sehr wohl (freilich erst am Sankt Nimmerleinstag) besteuert werde, sobald man das Geld zurückbringe. Allerdings setzt man auf die neue US-Regierung, die (hoffentlich, aus der Sicht von Apple) den Steuersatz für zurückgebrachte Gewinne senken werde.

Irland war seinen EU-Partnerländern schon lange ein Dorn im Auge, da es seit vielen Jahren Steuerpiraterie dadurch betrieb, dass es den niedrigsten Körperschaftsteuersatz in der EU (12,5 Prozent) einhob. Auch Österreich hat nach seinem EU-Beitritt 1995 mehrmals kritisiert, dass Irland ein massiver Nettoempfänger von EU-Budgetmitteln sei und gleichzeitig Investitionen mit unfairen Steuermitteln anziehe. Mit anderen Worten: Die österreichischen Steuerzahler zahlten dafür, dass Irland internationale Investitionen aus anderen Ländern, darunter Österreich abzog.

Sinnwidrige Steuerkonkurrenz

Offenbar hat Irland darüber hinaus, wie auch andere EU-Länder, mit Großinvestoren Sonderverträge abgeschlossen, die noch niedrigere Steuersätze à la Apple enthalten. Irland hat sich auch, gemeinsam mit Großbritannien, seit jeher gegen eine Harmonisierung der europäischen Körperschaftsteuersätze gewehrt, ja nicht einmal eine Harmonisierung der Steuerbasis (die in jedem EU-Land anders definiert wird) zugelassen. Da Steuerangelegenheiten in der EU nur einstimmig beschlossen werden können, hat Irland mit seinem Veto die in einem einheitlichen Wirtschaftsraum vollkommen sinnwidrige Steuerkonkurrenz nach unten weiter beflügelt.

Und jetzt kämpfen die USA und die EU darum, wer eigentlich die Ergebnisse einer "gerechten" Besteuerung erhalten soll. Zur US-Argumentation und Kritik an der EU, dass diese ihre Kompetenzen weit überschreite, sei allerdings angemerkt, dass die USA als einziges Land der Welt ihre Steuersubjekte (Personen und Unternehmen) verpflichten, ihre wo auch immer erzielten Einnahmen in den USA zu versteuern, also eine Art Steuerimperialismus betreiben. Konkret: In Österreich erzielte Einkommen von US-Bürgern sind in den USA zu melden und werden dort besteuert.

Druck auf die Steuerbehörden

Gut ist, dass es seit wenigen Jahren, zum Teil auf Druck der Budgetknappheiten, zum Großteil aber auch mithilfe des Drucks der Bürger, Druck auf die Steuerbehörden gibt, Steuerakrobaten wie Apple, Google, Starbucks, Fiat oder McDonald’s das Handwerk zu legen. Im Rahmen der G20, vor allem aber der OECD, sind hier erste Schritte unternommen worden, dass Steuern dort bezahlt werden sollen, wo die wirtschaftliche Aktivität stattfindet, und dass alle Arten von Verrechnungspreisen, Lizenz- und Patentgebühren und Schuldzinsen innerhalb des Unternehmens nach "rationalen, und gemeinsamen" Kriterien geregelt werden sollten. Der Weg ist noch weit, die Unternehmen, die lächerlich niedrige Steuern, wenn überhaupt, bezahlen, lobbyieren ganz gewaltig, drohen mit Arbeitsplatzverlusten, mit Abzug der Gelder und Fabriken, etc., etc.

Natürlich geht es nicht nur um die Fairness der Steuersysteme und darum dass die einer Abzugssteuer unterliegenden Lohnempfänger das System als "fair" empfinden (und damit selbst bereit sind, Steuern zu bezahlen), sondern um Arbeitsplätze, um Investitionen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern - aber eben auch, wie im Fall von Apple sichtbar geworden ist, darum, wer die dann zu erhebenden Steuern bekommen soll. Und da wird nicht nur mit feiner Klinge gekämpft.

Die Finanzminister der einzelnen Länder sprechen natürlich auch mit gespaltener Zunge: Ja zu globaler Steuergerechtigkeit. Ja zu Steuergerechtigkeit zwischen den einzelnen Einkommensarten. Ja zum Austrocknen von Steueroasen. Aber dabei denken sie schon über das nächste Steuerzuckerl nach, mit dem sie Investitionen aus anderen Ländern abziehen und vor allem ihre eigenen Steuerprivilegien mit Zähnen und Klauen gegen ein global gerechtes Regime verteidigen können. Wir werden den Druck weiter aufrecht erhalten müssen, damit endlich Fortschritte erzielt werden.