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Politik ist kein Fußballspiel mehr

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Was die Endlosschleife der Präsidentenwahl zu Tage fördert.


Bei der Bundespräsidentenwahl stehen sich "zwei Ideen von Österreich" gegenüber schrieb Walter Hämmerle dieser Tage in der "Wiener Zeitung". Nachdem SPÖ und ÖVP ihren historischen Antagonismus mittels der Sozialpartnerschaft überwunden haben (wobei diese Überwindung durchaus unvollständig ist - das alte Waffengetöse klingt noch täglich nach), gäbe es jetzt einen neuen Graben, der zwei andere Lager trennt.

Hämmerle hat recht. Es gibt eine Verschiebung des gesellschaftlichen Widerspruchs. Es gibt zwei neue Lager. Es ist genau das, was uns die Endlosschleife der Präsidentenwahl ständig vorführt.

Will man diese Spaltung aber näher bestimmen, dann stößt man auf Verwirrendes. Denn aus der Sicht des einen Lagers spaltet sich die Gesellschaft in Freiheitliche (oder in FP-Affine, denn für das letzte Wahlergebnis brauchte es natürlich mehr als die Stammklientel) und in den Rest der Gesellschaft. Was diese Spaltung in ihrer Sicht bedeutet, hat Hofer mit jenem Sager deutlich gemacht, der eindeutig Kickls Handschrift trägt: Der Unterschied zwischen ihnen sei, so Hofer zu Van der Bellen: "Sie haben die Hautevolee, ich die Menschen." Wer erinnert sich nicht an diesen Satz, der ihre Sicht der Spaltung zusammenfasst: wir hier die Menschen, also das Volk - und ihr dort die Eliten. Van der Bellens überraschte Reaktion - "Sind das keine Menschen?" - verfehlte den Kern. Das Manko der imaginierten Eliten liegt nicht darin, keine Menschen zu sein. Das Manko liegt darin, nicht Teil des Volkes zu sein. Nicht Teil jenes Volkes, das mit diesem Satz noch einmal definiert wurde: Als jenes Volk, das eben nicht Hautevolee ist und als jenes Volk, das - wie ständig behauptet wird - eben nicht die Anderen, die Fremden, die Ausländer sind. Das ist jetzt keine große Neuigkeit.

Interessant ist aber, dass die andere Seite, zwar auch eine Spaltung sieht - aber eine ganz andere. In deren Sicht verläuft die Spaltung der Gesellschaft zwischen einem völkisch definierten Volk und der Bevölkerung. Sie verläuft zwischen einer völkisch definierten Demokratie und einer eben nicht völkisch definierten Demokratie.

Es gibt also nicht nur zwei unterschiedliche Lager. Es gibt auch zwei Spaltungen. Auch das, was die Lager trennt, ist unterschiedlich. Man darf sich diese Auseinandersetzung nicht nach Art eines Fußballspiels denken: Es treten nicht zwei Mannschaften auf einem festgesteckten Feld gegeneinander an.

Das war die Logik der Sozialpartnerschaft. Deren Logik waren nicht die viel gescholtenen Türen, hinter denen Kompromisse ausgehandelt wurden. Deren Logik war eben diese Fußballlogik: Die politischen Gegner sind zwar gegeneinander angetreten - aber sie haben sich das Spielfeld geteilt. Die heutige Auseinandersetzung funktioniert nach einer anderen Logik: Die Lager teilen sich kein Feld mehr. Genau darin besteht ja die Spaltung: Man teilt nicht mehr das Terrain, auf dem man gegeneinander antritt. Die politische Auseinandersetzung geht also darum, was diese Demokratie ist, was dieses Land ist, wer zur Bevölkerung gehört. Sie ist Auseinandersetzung nicht auf, sondern um das Terrain. Eben deshalb ist es eine Richtungsentscheidung.