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Fusion an der Spitze: Ja! - Aufhebung der Dreistufigkeit: Nein!

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Lehrbeauftragter und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.

Raiffeisen bewahrt sich auch nach der Fusion die Aussicht, mit institutioneller Vielfalt, vielen Jobs und zukunftsfähigen Aufgaben fortzubestehen.


Raiffeisen Zentralbank Österreich (RZB) und Raiffeisen Bank International (RBI) gehen zusammen - nicht ganz freiwillig, sondern vor allem unter dem Druck der eigenen Kapitalausstattung in Verbindung mit den regulatorischen Rahmenbedingungen für die Anerkennung von Bankbeteiligungen. Eine Fusion und mögliche Alternativen wurden schon länger diskutiert und gründlich durchdacht. Nun sollen Spitzeninstitut (RZB) und internationale Tochtergesellschaft (RBI) verschmelzen. An der Spitze der Raiffeisen Bankengruppe Österreich steht dann ein börsenotiertes Spitzeninstitut.

Diese Entwicklung liegt im europäischen Trend, weicht aber zumindest in struktureller Hinsicht davon ab: In Deutschland hebt die im August eingeleitete Fusion von DZ Bank, dem nationalen Spitzeninstitut, und WGZ Bank, der letzten verbliebenen regionalen Zentralbank, die funktionale Dreistufigkeit auch im Rheinland und Westfalen auf. Es entsteht das drittgrößte deutsche Kreditinstitut. Erste Signale an die deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, ihrerseits zu fusionieren, werden vom neuen Spitzeninstitut bereits gesendet. Dagegen bewahrt sich die Raiffeisen Bankengruppe Österreich ihre stärker arbeitsteilige, aber einer Polarisierung von Spitze und Basis entgegenwirkende Dreistufigkeit.

In einem zweistufigen genossenschaftlichen Sektor folgt oft - trotz vieler lokaler und regionaler Banken - die Einstufigkeit. So haben die mehr als 100 niederländischen Rabobanken im Dezember 2015 mit der Entscheidung zur Fusion mit der Rabobank Nederland diese Einheit vorgezeichnet. In Österreich vollziehen die Volksbanken diesen Weg zumindest bis zur Bundesländer-Ebene nach und verringern ihre Zahl auf perspektivisch nur noch zehn Institute. Trotz Abwicklung des früheren Spitzeninstitutes Österreichische Volksbanken-AG wurde eine zweistufige Lösung realisiert. Denk-
bar wäre auch gleich eine einzige nationale Volksbanken-AG gewesen, doch dieser Schritt unterbleibt hoffentlich auch, um so glaubwürdiger Kundennähe und Mitgliederbezogenheit beizubehalten.

Zweifellos haben über den Kapitalmarkt angesprochene Eigentümer (Investoren) ihre eigenen Erwartungen, die im Widerspruch zu genossenschaftlichen Eigentümern und Kunden lokaler Raiffeisenbanken oder regionaler Volksbanken beziehungsweise den Verwaltungsgenossenschaften stehen können. Eine kapitalmarktfähige, gar börsenotierte, aber an der Basis genossenschaftlich geprägte Gruppe verstärkt in sich das Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen, das zur Auflösung ihrer Struktur und zu ihrer kapitalmarktfähigen Einstufigkeit führen kann. Am Ende entstünden - wie auch für Italiens Volksbanken angelegt - weitere Kreditinstitut-Riesen, die gefährlich für die Stabilität des Bankensystems sein könnten.

Raiffeisen bewahrt sich jedenfalls die Aussicht, mit institutioneller Vielfalt, vielen Jobs und zukunftsfähigen Aufgaben fortzubestehen. In Europas würde sie mit ihrem genossenschaftlich geprägten Potenzial immer mehr zum Vorbild und kann vielleicht auch künftig durch eine höhere Beteiligungsquote am börsenotierten Spitzeninstitut die Erwartungen des Kapitalmarkts aus eigener Kraft und in eigener Verantwortlichkeit erfüllen.