Zum Hauptinhalt springen

Ein Hoch auf die Burka-Debatte

Von Ingrid Thurner

Gastkommentare
Ingrid Thurner ist Ethnologin, Publizistin, Lektorin und Mitglied der Initiative Teilnehmende Medienbeobachtung am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Uni Wien (www.univie.ac.at/tmb).

Das Gerede über die textile Ganzkörperverhüllung dient in der aktuellen innenpolitischen Problemlage als vielseitig einsetzbarer Joker.


Nicht nur in Frankreich ist die Burke-Debatte wieder neu aufgeflammt. Dabei ist längst alles gesagt.

Den Argumenten für und wider ein Verbot dessen, was in Europa kaum existiert, ist nichts hinzuzufügen. Allerdings müssen wir der Debatte und allen physischen und virtuellen Medien, die ihr Raum bieten, dankbar sein, ebenso allen Journalisten, Expertinnen und Weltverbesserern, die sich ihrer annehmen. Als das Sommerloch sich nicht und nicht füllen wollte, tauchte endlich die Burka auf.

Hoch leben die Burka und der Burkini, die aus den Untiefen des Unbewussten ans Tageslicht getreten sind! Sie sind eine wunderbare Ablenkung von allen wirklichen Missständen. Sie kanalisieren Ängste. Die Islamisierung Europas durch Burka und Burkini ist ja wirklich die größte gerade drohende Gefahr. Zum Glück kämpfen Boulevard-Medien und Gratis-Blätter engagiert dagegen an, zum Glück lassen sich schockierend fremdartige Fotos zwischen den Textspalten auflagenerhöhend einschieben.

Alle möglichen Leute haben eine Freude mit der Debatte: Hardcore-
Feministinnen des rechten Randes zum Beispiel. Mit einer Burka lässt sich gut verdecken, was alles an Geschlechtergleichheit noch immer nicht erreicht wurde. Da tritt man gerne zwischendurch für die armen unterdrückten muslimischen Schwestern ein, deren leise Rufe, dass sie gar nicht befreit werden wollen, weil sie sich nicht unfrei fühlen, im Mediengetöse untergehen.

Die Freiheitlichen zum Beispiel: Die Burka-Debatte lässt fast vergessen, dass die FPÖ eine Partei der reichen Leute ist, die so tut, als wäre sie eine Partei der armen Leute. Mit einer blauen Burka im leichten Handgepäck können die blauen Funktionäre und Kandidaten auf allen hierarchischen Ebenen brillieren. Die Ängste, die sie ihren Zielgruppen in jahrelanger aufopferungsvoller Basisarbeit eingebläut haben, können sie ihnen nun mit der simplen Forderung nach einem Burka-Verbot wieder nehmen. Klar, dass man sie dazu wählen muss.

Weiters die Regierungsparteien: Da macht eine Burka doch etwas her, wenn man sich auf dem Rücken seiner jahrzehntelangen Koalitionspartnerin neu positionieren möchte. So eine Burka - was für ein klangvolles inhaltsreiches Wort, verglichen mit Reformpaket, Mindestsicherung, Obergrenze, Asylnotstand, Integrationsdefizit . . . -, so eine Burka ist ein nicht zu unterschätzendes Requisit, wenn man den täglichen koalitionären Kleinkrieg wieder in die Sandkiste verlagert hat. Da ist eine Burka ein klares Feindbild, das man kreativ mit anderen Forderungen junktimieren kann, um dann - miteinander gegen das bedrohliche Fremde - koalitionäre Eintracht zu simulieren.

Dann nicht zu vergessen, Männer generell: Die Burka bietet ihnen eine wunderbar fortschrittliche und ganz und gar ungefährliche Möglichkeit, für Frauenrechte einzutreten - ohne dass sie nämlich befürchten müssten, von ihren im Laufe von Jahrhunderten erworbenen Männerrechten auch nur einen Deut abgeben zu müssen.

Kurz gesagt: Bis auf ein paar Realitätsverweigerer, die nie die Probleme erkennen, sind mit der Burka-Debatte alle glücklich.