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Wenn Wohltätigkeit an nationalen Grenzen scheitert

Von Monica Culen

Gastkommentare

Der 1. Oktober ist der Tag des Stiftens. 2015 wurde in Österreich das gemeinnützige Stiftungsrecht reformiert. Endlich. Gut so.

Aber 2015 wurde ebenfalls der vielbejubelte Vorschlag für ein Europäisches Stiftungsstatut im letzten Moment von der EU-Kommission wegen mangelnden Konsenses einiger Mitgliedstaaten, allen voran Österreich, abgewiesen. Der Plan, als Ergänzung zu nationalen Gesetzen auch eine europäische Stiftungsform zu schaffen, war damit gescheitert. Der sorgfältig ausgearbeitete Vorschlag dafür war bereits im Februar 2012 vorgelegt worden. Der Rückzieher nach jahrelangen Verhandlungen war ein niederschmetternder Rückschlag für alle international agierende Stiftungen.

Betroffen sind rund 100.000 gemeinnützige Stiftungen in Europa, für die das erhöhte Kosten für ihr internationales soziales Engagement bedeutet. Die Roten Nasen zum Beispiel müssen als international agierende Privatstiftung in anderen Ländern lokale Rechtskörper gründen, um operativ tätig werden zu können. Das heißt: neue Statuten, eigene Vorstände, ein ganzes Konstrukt von Verträgen zur rechtlichen und steuerlichen Abgleichung für jede einzelne Transaktion oder jedes Projekt.

Eine Europäische Stiftung sollte, aufbauend auf einem gemeinsamen Verständnis von Gemeinnützigkeit, die europäische Idee und Integration beflügeln, ohne Kosten für die Steuerzahler zu verursachen. Nicht nur aus unserer Sicht hemmen die unterschiedlichen nationalen Gemeinnützigkeitsgesetze, aber auch die Schranken und Hindernisse für finanzielle Kooperationen und internationale Spendenakquisition das wichtige zivilgesellschaftliche Engagement in Europa.

350 Milliarden Euro Vermögen

Europaweit entwickelt sich das Stiftungswesen rasant. Gemeinnützige Stiftungen in Europa verfügen schätzungsweise über ein Vermögen von rund 350 Milliarden Euro, somit ein nennenswerter wirtschaftlicher Faktor. Die Notwendigkeit, international über die Grenzen hinweg tätig zu sein, internationale Projekte zu finanzieren oder durchzuführen wird immer dringender.

Eine Europäische Stiftung hätte das Recht gehabt, sich mit einem überall gleichermaßen geltenden Statut in allen EU-Ländern zu registrieren und tätig zu werden. Die Absetzbarkeit von Spenden und Zuwendungen wäre automatisch steuerlich nach der lokalen Gesetzgebung der Spender behandelt worden.

In Österreich hat die Gesetzesreform für gemeinnütziges Stiften 2015 der Stiftungslandschaft einen Aufschwung beschert. Trotzdem sind große Stiftungen mit internationaler Ausrichtung in die Schweiz abgewandert. Noch immer kämpfen die österreichischen Pioniere, die von Österreich aus internationale Organisationen aufgebaut haben, mit der Überwindung der Grenzen zwischen den europäischen Zivilgesellschaften.

Europa braucht die Europäische Stiftung. Es braucht eine starke gemeinsam agierende Zivilgesellschaft. Wir dürfen die EU-Kommission nicht aus dieser Verantwortung entlassen.

Zur Autorin

Monica Culen

ist Geschäftsführerin von Rote Nasen Clowndoctors International und Präsidentin des Fundraising Verband Austria (FVA).