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Gegen die syrische Fluchtwelle helfen nur politische Lösungen

Von Friedbert Ottacher

Gastkommentare
© privat

Die Entwicklungszusammenarbeit kann Armutsmigration reduzieren, aber sie hilft nicht dabei, die Zahl der Kriegsflüchtlinge zu senken.


Die Entwicklungszusammenarbeit hat es wieder in die Schlagzeilen und auf die politische Tagesordnung geschafft: Diesmal soll sie uns vor der drohenden Flüchtlingswelle aus Afrika bewahren. Der Anspruch an die Entwicklungshilfe - wie sie früher genannt wurde - war seit jeher, die weltweite Armut zu reduzieren, den Hunger auszurotten und die Länder des globalen Südens in ihrer sozialen, demokratiepolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen.

Dass dieser Hilfe seit jeher ein ausgeprägter Eigennutz der Geberländer innewohnt, blieb niemanden verborgen: Waren es im Kalten Krieg machtpolitische Interessen, die auch zu großzügigen Zahlungen an afrikanische Despoten führten, kamen später Wünsche der Exportwirtschaft dazu. Heute stehen sicherheitspolitische Interessen - Stichwort Terrorismusbekämpfung und Bekämpfung von Fluchtursachen - bei den westlichen Geberländern im Vordergrund. In Österreich hat Außenminister Sebastian Kurz nach Jahren der Stagnation den Entwicklungsetat mit Hinweis auf die Flüchtlingskrise erstmals wieder erhöht.

Doch wirkt Entwicklungszusammenarbeit überhaupt? Der Kassasturz, den die UNO im Jahr 2015 am Ende der Ära der Millennium-Entwicklungsziele vorgenommen hat, kann als Antwort dienen. Darin wird festgehalten, dass die weltweite Armut halbiert wurde. Kritiker werfen hier sofort ein, dass der Erfolg, 700 Millionen Menschen aus der Armut geholt zu haben, dem Wirtschaftsaufschwung in China, Indien und Brasilien geschuldet sei.

Um den Beitrag der Entwicklungszusammenarbeit zu isolieren, lohnt ein Blick nach Subsahara-Afrika. Dort wurde zwar keines der Ziele zur Gänze erreicht, aber die positiven Veränderungen können sich sehen lassen: Die Einschulungsraten wurden im Laufe der vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt und die Mütter- und Kindersterblichkeit jeweils halbiert.

Doch wirkt Entwicklungszusammenarbeit auch in der Bekämpfung von Fluchtursachen? Dazu gehen die Meinungen auseinander. Was sie nicht reduzieren kann, ist die Zahl der Flüchtlinge, die vor Kriegen fliehen. Hier braucht es politische Lösungen und eine ausreichend dotierte humanitäre Hilfe - beides ist im Fall von Syrien nicht zu sehen. Die Entwicklungszusammenarbeit kommt ins Spiel, wenn es um Armutsmigranten geht, die hierzulande gerne als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet werden. Hier kann die Entwicklungszusammenarbeit den Migrationsdruck durch Arbeitsmöglichkeiten vor Ort und eine bessere medizinische und soziale Grundversorgung etwas mindern.

Solche Maßnahmen wirken aber nicht kurzfristig - und ob ein Mehr an Entwicklungszusammenarbeit auch ein Weniger an Armutsmigration im gleichen Umfang bedeutet, lässt sich nicht so einfach festmachen, dafür ist die Situation in den Herkunftsländern zu unterschiedlich und die Entwicklungszusammenarbeit im Spiel der Einflussfaktoren zu unbedeutend.

Jedenfalls sollte man sich davor hüten, Versprechen zu machen, die nicht gehalten werden können, denn davon gibt es in der Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit schon zu viele.

Friedbert Ottacher ist Programmkoordinator für das östliche Afrika bei "Horizont3000" und arbeitet auch als Berater, Trainer und Autor zur Entwicklungszusammenarbeit in Wien. Er verfügt über 15 Jahre Projekterfahrung in Afrika. Er lehrt an der Technischen Universität Wien und ist gemeinsam mit Thomas Vogel Autor des Buches "Entwicklungszusammenarbeit im Umbruch: Bilanz-Kritik-Perspektiven". (www.ottacher.at)

Veranstaltungstipp:
"Die Entwicklungszusammenarbeit auf der Anklagebank"
6. Oktober, 18 Uhr, Reitersaal der österreichischen Kontrollbank (1010 Wien, Strauchgasse 3)
Dabei wird ein Gerichtsprozess mit zahlreichen Zeugen aus der entwicklungspolitischen Praxis simuliert, am Ende entscheidet das Publikum über Freispruch oder Schuldspruch. Der Eintritt ist frei.