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Die EU für die Europäer wieder attraktiv machen

Von Wolfgang Schmale

Gastkommentare
Wolfgang Schmale ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien. Er ist auch Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und betreibt den Europa-Blog "Mein Europa" (wolfgangschmale.eu).

Die jüngsten Eurobarometer-Daten legen nahe, konkreter über den Ausbau der politischen Rechte der EU-Bürger nachzudenken.


2017 wird die EU auf 60 Jahre Römische Verträge (Gründung insbesondere der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - EWG) zurückblicken. Zu den Hauptzielen der EWG sollten die Mehrung des Wohlstands für alle Bürger und der Abbau von regionalen Wohlstandsgefällen in der EWG gehören. In dieser Beziehung ist schon einiges erreicht worden, aber längst nicht alles.

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich im Zuge ihres jüngsten Gipfels in Bratislava ganz im Sinne dieser Tradition dafür ausgesprochen, mehrere Projekte in Angriff zu nehmen, die dem unmittelbaren Wohlstand (Abbau der Jugendarbeitslosigkeit), der Sicherung des Wohlstands (Digitalisierung der Wirtschaft) und der allgemeinen Sicherheit, ohne die es keinen Wohlstand gibt, dienen. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass sich die Zustimmung der Bürger zur EU erhöht.

Nun definieren sich aber auch alle EU-Mitgliedstaaten über ihre Sorge für den Wohlstand und die Wohlfahrt. "Wohlstand mehren" als Aufgabe der EU entspricht also zwar einer zentralen Tradition seit 1957, deren Erfüllung steht aber faktisch im Wettbewerb mit den Mitgliedstaaten. Ein allzu starkes Plus an Zustimmung zur EU sollte man sich daher realistischerweise nicht erwarten, so richtig und nötig die europäische Zusammenarbeit hier auch ist.

Dass die EU-Bürger besser und genauer über die Leistungen der EU, die in der Tat jedem Einzelnen zugutekommen, informiert werden müssten, wird seit 30 Jahren gepredigt. Viele Informationskampagnen hat es gegeben, ohne dass sich grundlegend etwas geändert hätte.

Der vorsichtige Ausbau der Rechte der EU-Bürger im Vertrag von Lissabon (2007) hat zwar enttäuschenderweise nicht direkt zu einer Erhöhung der Wahlbeteiligung bei der EU-Parlamentswahl 2014 geführt - sie lag EU-weit bei nur etwa 42 Prozent -, aber es kann festgestellt werden, dass das Bewusstsein bei den Bürgern über ihre Rechte kontinuierlich steigt.

Erhoben wird dies regelmäßig durch eine spezielle Eurobarometer-Umfrage. Dieses Eurobarometer dokumentiert unter anderem, dass 64 Prozent der Befragten dafür sind, dass EU-Bürger, die in einem anderen EU-Land leben, dort neben den Kommunal- und EU-Wahlen auch an den nationalen Wahlen teilnehmen können sollen. 60 Prozent sagen, dass EU-Bürger bei Wahlen auf der Ebene von Regionen oder Bundesländern auch kandidieren können sollten. Und 71 Prozent beurteilen die Effekte der Personenfreizügigkeit als positiv.

Diese und weitere Ergebnisse legen es nahe, konkreter über den Ausbau der politischen Rechte der EU-Bürger nachzudenken. Müssen die Wahlen zum EU-Parlament auf Nationalstaatsebene durchgeführt werden oder sollten sie nicht besser europäisch sein? Sollte man nicht den eindeutig mehrheitlichen Wunsch nach einem besser ausgebauten Wahlrecht für die EU-Bürger aufgreifen? Das würde die Parteien bei der Gewinnung von Wählerstimmen stärker zwingen, europäisch zu argumentieren. Es wäre die Chance, die verlorene Balance zwischen EU hier und Nationalstaaten dort wiederherzustellen.