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Provokation

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Über rechte Strategien.


Also gut. Fassen wir zusammen: nach den Facebook-Exzessen der vergangenen Woche diesmal HC Straches austrofaschistische "Hymne", seine Drohung eines bevorstehenden Bürgerkriegs und heute der Kongress der "Verteidiger Europas" in den Linzer Redoutensälen. Und in der Folge die allgegenwärtige Frage nach der Provokation.

Nicht zufällig trägt das Buch des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek den Titel: "Provokation". Dieser schreibt, die multikulturelle Gesellschaft weise Symptome des Vorbürgerkriegs auf (!), weshalb der stramme Rechte vor der Frage stehe: Sich wehren oder verschwinden? In solchen Zeiten solle man den "Knüppel zur Hand nehmen oder das Schwert" und "zum Krieger werden, zum Provokateur".

Dies wäre zwar keine gute, aber eine instruktive Lektüre für einige Leute. Etwa für den Landeshauptmann Josef Pühringer, der dem rechtsextremen Kongress die Türen der Linzer Prunkräume im Namen der Meinungsfreiheit offen hält. Oder für Michael Fleischhacker, der als TV-Moderator meint, der Chef der Identitären sei ein wichtiger Meinungsträger in Sachen Radikalisierung muslimischer Jugendlicher. In einem Interview erklärte er dazu, es gehe darum, das, was an Meinung da ist, in der Gesellschaft abzubilden. (Abzubilden!) Es gehe darum, auch das, was man nicht gerne höre, zu Wort kommen zu lassen - also extreme Standpunkte "gegen die Langeweile des mittigen Geschwafels".

Wir lassen jetzt einmal die blasierte Gelangweiltheit des ehemaligen "NZZ.at"-Chefredakteurs beiseite. Ebenso die Naivität seines Glaubens, dass Provokation per se spannend sei. Wenden wir uns lieber dem entscheidenden Fehlurteil des ganzen Interviews zu: jenem Urteil, wonach es seinen Kritikern "nicht um Inhalte, sondern nur um Symbole" gehe. Fleichhacker sollte wirklich Kubitschek lesen. Der könnte ihm erklären, dass es bei den Auftritten der Identitären (die er in Deutschland mitgegründet hat und an die sich die FPÖ zunehmend anlehnt) genau um das geht: Es geht nicht um Inhalte, sondern um Symbole. Es geht nicht um Diskussionen, sondern um Provokationen. Denn das Ziel ihrer Aktionen (das ist jeder ihrer Auftritte) ist das "Umdeuten". Das hat Kubitschek übrigens genau in jenen Linzer Redoutensälen schon 2009 erklärt (wie die "Wiener Zeitung" berichtet). Es geht nicht ums Austauschen, Diskutieren, sondern ums Umdeuten. Um die "Revision des Sichergeglaubten". Es geht darum, das "linksliberale Dauerfeuer" zu torpedieren. Was aber ist das Medium des Liberalismus? Das öffentliche Gespräch. Deshalb ist es für die Rechten so wichtig, ihr Personal durchzusetzen. Relevant ist: Wer spricht? Etwa im TV. Und relevant ist: Wo spricht man? Deshalb zählen die Orte: Je repräsentativer, je näher am "Großen und Ganzen", desto besser. Deshalb sind die Redoutensäle so wichtig (wie die Hofburg beim WKR Ball). Es geht ums Einnehmen, ums Umkodieren der Orte. Vor allem aber geht es nicht darum, zu argumentieren oder diskutieren, sondern seine Position zu befördern. Bei jedem dieser Auftritte geht es nicht einfach um die Inhalte, sondern um die Performanz, um den Sprechakt. Denn Provokation ist ihr "Kampfmittel".

Lernen Sie Hegemoniestrategie, Herr Redakteur!