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Die rechtspopulistische Versuchung hat Erfolg

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".
© privat

Wortgewaltige Opposition und Schüren von Ängsten befähigen längst nicht zur Führung eines Staates.


Wie besetzt man das Bewusstsein der Menschen? Die Werbung versucht es mit verlockenden Angeboten. Rechtspopulisten schüren mit Angstparolen das Gefühl, die Existenz der Menschen sei bedroht, und behaupten, nur sie wüssten, wie die Ursachen dieser Ängste zu tilgen seien. Angeblich drohen dem christlichen Europa die Islamisierung und schließlich der Scharia-Staat nach saudischem Muster, weil geeichte muslimische Flüchtlinge die EU überschwemmen. Also Grenzen dichtmachen!

Angenommen, es kämen zehn Millionen muslimische Flüchtlinge - wie könnten sie 550 Millionen EU-Europäer islamisieren? Ganz einfach: In dieser Flut schwimmen Terroristen mit, die Blutbäder veranstalten. Vor ihnen sei niemand sicher. Dagegen haben die Rechtspopulisten ein Rezept: Die Zielstaaten müssen Polizei und Sicherheitsorgane aufrüsten und das Volk muss die Einschränkung rechtsstaatlicher Grundrechte und Freiheiten in Kauf nehmen, bis die Islamisten erledigt sind und das christliche Abendland gerettet ist. So füttert man das Bauchgefühl, das den Verstand lahmlegt und dem mit stichhaltigen Fakten ebenso wenig beizukommen ist wie einem Vorurteil.

Bringen gewählte Regierungen aus welchen Gründen auch immer nichts mehr weiter, wissen die Rechtspopulisten sofort, wie man den Gaul wieder in Trab bringt: Reiche massiv besteuern, Vetternwirtschaft ausschalten, Herrschaft der Großkonzerne stürzen, Jobs schaffen auf dem Weg in ein irdisches Paradies. Das banne Existenzängste und sichere die Zukunft der Enkel und Pensionen. So wird das Bauchgefühl munitioniert, damit die Frage erst gar nicht aufkommt, wer denn alle verheißenen Segnungen bezahlen und wie "die Politik" ein Budget erstellen soll, ohne die Staatsschulden immens zu vergrößern und die Last den Nachkommen aufzubürden.

Und wenn doch, so lautet die süffige Antwort: Das seien Argumente "korrupter Politiker", die nur an den Machterhalt und nicht ans Wohl des Volkes denken. Und da hilft die "Lügenpresse" kräftig mit. Debatten an Biertischen bieten dafür Anschauungsunterricht.

Die Rechtspopulisten haben Zulauf, weil viele Menschen auf die Angstparolen hineinfallen und bereit zu sein scheinen, die "Katze im Sack" zu kaufen: Es gibt kein überzeugendes Beispiel, dass Rechtspopulisten irgendwann in irgendeinem demokratischen Rechtsstaat als Regierungspartei ein irdisches Paradies geschaffen hätten. Wo immer sie demokratisch an die Regierung gelangen, geht die Reise in Richtung "Führerstaat": Opposition unterdrücken, Meinungsfreiheit einschränken, Medien knebeln, keine Spur vom versprochenen Fortschritt.

Winston Churchill befand einmal, die Demokratie sei schlecht, aber es stehe nichts Besseres zur Verfügung - er sagte allerdings nicht, was die Demokratie vor allem auszeichnet: ihre prinzipielle Reformfähigkeit. Just diese ist bedroht, wenn sich Koalitionsregierungen in Haxlbeißerei ergehen, das Volk nerven und damit riskieren, dass Wähler aus Verdruss zu den Rechtspopulisten desertieren. Da wächst die Versuchung, diese rechts zu überholen.

Soll sich also Demokratie damit verschleißen, dass einer dem Volk ausredet, was ihm andere einreden?