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Österreich im Vergleich: Eine Kultur langer Arbeitszeiten

Von Franz Astleithner

Gastkommentare
Franz Astleithner ist Universitätsassistent am Institut für Soziologie. Er forscht zu Arbeitszeit, sozialer Ungleichheit und Migration.

Vollzeitarbeit wird in Europa verschieden gesehen. In Österreich sind die Vollzeitarbeitszeiten relativ ungleich verteilt, ein Fünftel will kürzer arbeiten.


Die Gestaltung der Arbeitszeit betrifft wirtschaftliche Ziele ebenso wie unmittelbare Lebensinteressen und Themen sozialer Ungleichheit. Aber wie ist Arbeitszeit in der Erwerbsbevölkerung im internationalen Vergleich verteilt, und wie zufrieden sind die Beschäftigten mit der Dauer ihrer Arbeitszeiten? Diesen Themen widmen sich neue Auswertungen der europäischen Arbeitskräfteerhebung von 2014, die diese Woche im "Trendreport Arbeit - Bildung -Soziales. Österreich im Europavergleich" (http://forba.at/de/publications/trendreport) veröffentlicht wurden.

Betrachtet man die Arbeitszeitverteilungen und -wünsche von Vollzeitbeschäftigten erkennt man: Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit. Neben der durchschnittlichen Länge der Arbeitszeit betrifft das auch die Frage, was die Arbeitszeitnorm ist und wie stark diese Norm ausgeprägt ist. Betrachtet man die am häufigsten genannten Wochenstunden als Norm, liegt sie in den meisten europäischen Ländern bei 40 Stunden. Niedriger ist sie nur in Frankreich mit 35 Stunden, in Dänemark mit 37 Stunden sowie Norwegen, Belgien, Finnland und Schweden mit 38 Stunden. Der Anteil derer, die normalerweise genauso lange pro Woche arbeiten, gibt Aufschluss darüber, wie stark diese Norm ist. Hier zeigt sich eine enorme Bandbreite zwischen Lettland, wo 92% normalerweise 40 Stunden arbeiten, und dem Vereinigten Königreich, wo das nur auf 20% zutrifft. Dänemark ein positives Beispiel, da dort eine kurze und starke Vollzeitnorm etabliert wurde. 78 Prozent arbeiten in diesem Land normalerweise 37 Stunden pro Woche. Im Kontrast dazu arbeiten in Frankreich nur 39 Prozent normalerweise 35 Stunden pro Woche. Die Arbeitszeit ist dort viel ungleicher verteilt. Das erklärt auch, warum die durchschnittliche Arbeitszeit in Frankreich trotz der gesetzlichen 35 Stunden Woche mit 39 Stunden länger ist als etwa in Finnland, Dänemark oder Italien. Eine Tatsache, die in der Diskussion um Arbeitszeiten oftmals übersehen wird. In Österreich ist die normale Arbeitszeit vergleichsweise ungleich verteilt (40% arbeiten 40 Stunden) und die durchschnittliche Arbeitszeit ist mit 41,4 Stunden relativ lange (41,5 Stunden, wenn man auch jene mit Zweittätigkeit berücksichtigt). Überhaupt herrscht hierzulande eine Kultur langer Arbeitszeiten und fehlendes Bewusstsein für deren negativen Konsequenzen. So arbeitet etwa ein Fünftel der männlichen Universitätsabsolventen länger als 48 Stunden pro Woche, was jenseits des gesetzlichen Rahmens liegt. Trotz teilweise fehlendem Arbeitszeitbewusstsein wollen in Österreich mehr Vollzeitbeschäftigte kürzer arbeiten als in den meisten anderen Ländern. 21,1 Prozent der Vollzeitbeschäftigten, die keiner Zweittätigkeit nachgehen, würden sich kürzere Arbeitszeiten wünschen.

Der internationale Vergleich von Arbeitszeitregimen zeigt, dass hinsichtlich Arbeitszeit vieles möglich ist. Daher wäre es an der Zeit für eine Renaissance der Arbeitszeitpolitik im Sinne einer beschäftigungssichernden, gesundheitsfördernden und emanzipatorischen Entwicklung der Gesellschaft.