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Von der Liebe zum Tod

Von Yury Fedotov

Gastkommentare
Yury Fedotov ist Exekutivdirektor des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).
© UNODC

Während Männer meistens von Fremden getötet werden, sind die Mörder von Frauen überwiegend im familiären Umfeld zu finden.


Auf der ganzen Welt werden zehntausende Frauen und Mädchen zu Tode geliebt. Im Weitwinkel-Schnappschuss werden diese Tode und gewalttätigen Übergriffe zu einer Rezitation von Frauen in verzweifelten Umständen. Strangulierungen, oft mit Gegenständen des täglichen Lebens wie Teigrollern oder Hundeleinen, erschreckende Säureangriffe, Erschießungen und Verbrennungen sind nur einige der Arten, wie Frauen weltweit getötet und mit Narben gezeichnet werden.

Obwohl nur einer von fünf Morden weltweit an einer Frau begangen wird, unterscheiden sich die Geschichten ihrer Tötungen radikal von jenen an Männern. Männer werden meistens von Fremden getötet. Für Frauen ist es genau umgekehrt. Für sie ist ihr Zuhause der gefährlichste Platz. Der gefährlichste Widersacher einer Frau ist kein Serienkiller, kein krimineller Opportunist, kein willkürlicher Mörder, sondern ihr Intimpartner oder ein Familienmitglied. Im Jahr 2012 wurden 43.600 Frauen von ihren Partnern oder Familienmitgliedern getötet. Durchschnittlich sind das weltweit 119 Frauen täglich oder eine alle zwölf Minuten.

Die Geschichte von Frauenmorden ist nicht eine von Gewehren und Messern in den Händen von Fremden, sondern von brutalem Verrat an Ehegelübden und sozialen Sitten. Es ist die Geschichte wie enge Partner sich von Liebenden zu grausamen Mördern wenden. Zahlen bestätigen, dass 60 Prozent der Tötungsdelikte, wo der Intimpartner oder ein Familienmitgliedder Täter ist, Frauen betreffen. Noch bestürzender ist, dass 78 Prozent der Mordopfer bei Intimpartnern Frauen sind.

Was kann dagegen getan werden? Voriges Jahr wurde der Welt ein Ziel gesetzt. Es ist Teil der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und ruft zur Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf, einschließlich sexueller und anderer Arten von Ausbeutung und Frauenhandel. Eine Verringerung aller Formen der Gewalt und die damit verbundenen Todesraten werden ebenfalls verlangt. Unsere Arbeit dreht sich um eine hartnäckige Wahrheit: trotz fluktuierender Mordraten, ob im Norden oder im Süden, Osten oder Westen, liegen die Tötungen von Frauen durch ihre Intimpartner in allen Weltregionen auf ziemlich gleichem Niveau. In Europa, in Asien, in Nordamerika - wir alle haben bei diesem Kampf unseren Anteil. Aber es bedarf einer grundlegenden Veränderung in der Art, wie wir dieses Verbrechen sehen.

Diese Zahlen zeigen ein Schlachtfeld; eines, wo die Kriegsfront auch die Heimatfront ist – die Konflikte werden innerhalb der privaten Mauern in allen Gesellschaften ausgetragen. Vom Erstversorger bis zu den Richtern und Gesetzgebern müssen die Morde an Frauen und Mädchen ernst genommen werden. Es darf keine Rücksicht genommen werden. Wir dürfen nicht dabeistehen, während Frauen und Mädchen an Orten ermordet werden, die sicher sein sollten.

Geschlechtergleichstellung ist der Schlüssel. Die wachsende Erkenntnis, dass es eine eklatante Ungleichheit gibt, wird hoffentlich mehr Frauen in Führungspositionen innerhalb unserer Gesellschaften bringen. Aber sie kann auch helfen, erstarrte Ansichten und verkalkte Auffassungen zu ändern. Der Internationale Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen ist der Tag, um Schluss mit dieser tödlichen Plage zu machen, die unsere Gesellschaften teert. Aber wir dürfen hier nicht halt machen. Worte müssen zu Taten werden. Diese soliden Handlungen müssen Leben retten. Wir verlieren jedes Jahr tausende Frauen und Mädchen.

Jeder Tod ist Teil eines Flusses des Elends und des Leides, der von Generation zu Generation fließt. Wir müssen uns alle bemühen, etwas Positives an jene weiterzugeben, die uns folgen. Das Leben von Frauen und Mädchen, eigentlich alle Leben, müssen respektiert und wertgeschätzt werden.