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Auf dem Weg in das autoritäre 21. Jahrhundert?

Von Oliver Rathkolb

Gastkommentare
Oliver Rathkolb ist Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien.

Wenn das Vertrauen in das demokratische System sinkt, steigt die Bereitschaft, einem "starken Führer" zu folgen, deutlich.


Alle globalen Indikatoren deuten auf eine mögliche Realisierung der Voraussagen Ralf Dahrendorfs, eines der bedeutendsten deutsch-britischen Soziologen, aus dem Jahr 1997 hin: "Ein Jahrhundert des Autoritarismus ist keineswegs die unwahrscheinlichste Prognose für das 21. Jahrhundert." Zu tiefgreifend seien die Änderungen der Lebens- und Arbeitswelten durch die ökonomische Globalisierung der Produktions- und Distributionsketten. Diese wird aber von der digitalen Revolution und der damit verbundenen neuen Automationswelle getrieben, die wiederum Millionen Arbeitsplätze vernichtet, die nur ungenügend substituiert werden. Doch diese Entwicklung ist nicht neu - ein Blick in die Globalisierung vor 1914 zeigt vergleichbare Krisen.

Der gravierendere Einschnitt damals waren die radikale Veränderung des Arbeitsmarktes und deren Folgen für die menschliche Psyche, da sich Raum- und Zeiterfahrungen in unvorstellbarer Form beschleunigten und viele total überforderten. Man kann den Ersten Weltkrieg auch als verzweifelten "Befreiungsschlag" in diesem "nervösen Zeitalter" deuten.

Die zweite Parallele des autoritären Zeitalters betrifft die gegenwärtige tiefgreifende Unzufriedenheit mit demokratischen Institutionen und repräsentativer Demokratie.

2014 votierten in einer Sora-Umfrage 29 Prozent in Österreich für einen "starken Führer, der sich nicht um Wahlen und Parlament kümmern muss". In der Nachwahlanalyse zu Donald Trumps Sieg in den USA wurden übrigens die damaligen Parameter für autoritäre Trends wieder herangezogen - basierend auf "The Authoritarian Personality" von Theodor W. Adorno und anderen. Darin wurde 1950 das hohe autoritäre Potenzial in Großstädten an der US-Westküste dokumentiert.

Auch in Österreich war noch 1978 ein extrem hohes autoritäres Potenzial messbar - übrigens mit einer Mehrheit zur Wiedereinführung der Todesstrafe, aber ganz offensichtlich "eingepackt" und neutralisiert in Bruno Kreiskys Vollbeschäftigungspolitik um jeden Preis. Klare politische Vorgaben gaben Sicherheit in der sich bereits ankündigenden Globalisierung.

Die Erfahrung mit der Zwischenkriegszeit, aber auch die aktuellen Entwicklungen in den USA - heute auf deutlich höherem sozio-ökonomischen Niveau - unterstreichen die fragile Basis der parlamentarischen Demokratie westlicher Prägung. Wenn das demokratische System nicht für soziale Gerechtigkeit, Sicherheit und demokratische Orientierung im Lebens- und Arbeitsalltag sorgen kann, steigt die Bereitschaft, einem "starken Führer" zu folgen, deutlich. Scheinbare Lösungen kündigen sich an mittels "Volksakklamation" durch Volksabstimmungen als einzige wirkliche Form der Demokratie. Damit scheiterte schon der konservative Staatsrechtslehrer und NS-"Kronjurist" Carl Schmitt kläglich, heute ist er aber wieder nicht nur bei den Identitären hoch im Kurs.

Laut Dahrendorf bringt die Globalisierung eine Phase von "autoritären Verfassungen" - mit dem "Trost", dass "sie weder so katastrophenträchtig noch so prekär sind wie totalitäre Diktaturen". Wer auch immer Bundespräsident wird - wir scheinen vor einer zentralen Richtungsentscheidung zu stehen.