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Raus aus dem Safe Space - an die Stammtische

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Was Peter Pilz den Grünen vorschlägt, ist kein Ausflug.


Die jüngsten Äußerungen des Abgeordneten Peter Pilz haben einigen Staub aufgewirbelt. Etwa die Aufforderung an seine Parteifreunde, die Grünen sollten hinaus zu den Stammtischen gehen. Dies erinnert an eine ganz andere und doch verwandte Diskussion - jene um Safe Spaces. Safe Space nennt man jene Orte an den - vorwiegend angelsächsischen - Universitäten, die frei von diskriminierenden Äußerungen sind. Räume, wo marginalisierte Gruppen, Minderheiten vor Verletzungen geschützt werden sollen. Diese akademischen Schutzräume sind gerade jetzt ins Gerede gekommen. Denn der schöne Gedanke neigt dazu, in sein Gegenteil zu kippen: Aus dem Opferschutz entsteht ein neuer Machtmechanismus. Durch Verbote, Vorschriften, kurzum durch Überregulierung wird die Ermächtigung von Ausgeschlossenen zum Tugendterror.

Pilz Einwurf besagt nichts anderes als: Raus aus dem Safe Space. Raus aus den Schutzräumen. Als wären diese eine Metapher für grüne Politik.

Wenn seine Äußerungen innerparteilich solchen Ärger erzeugt haben, dann nicht, nur weil Safe-Space-Stammtisch das neue Maß für größtmöglichen gesellschaftlichen Abstand ist. Wenn seine Äußerungen von Parteichefin Glawischnig so abgeschmettert werden, dann weil Pilz nicht einfach einen Ausflug vorschlägt - sondern vielmehr eine grundlegende Veränderung der gesamten Partei. Und das im Moment ihres größten Triumphs. Aber ist das nicht tatsächlich die Lektion der Van-
der-Bellen-Wahlbewegung gewesen?

Das Verlassen des kulturell homogenen Milieus. Hin zu heterogenen Lebenswelten. Also: nicht nur mit Seinesgleichen reden. Pilz Forderung nach einem "linken Populismus" ist eine unglückliche Formulierung. Denn es gibt tatsächlich schon "genug Populismus", da hat Glawischnig recht. Unglücklich ist die Formulierung, weil Populismus nicht ohne Feinderklärungen, Sündenböcke und Antipluralismus funktioniert. Wo Pilz aber recht hat, das ist, dass es die Lektion des Populismus - und eine solche gibt es - zu beherzigen gilt. Und diese Lektion ist eine doppelte.

Sie besagt zum einen, dass man sich der grassierenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung zuwenden muss. Politik kann heute nicht umhin, die Frustration der Wähler zu bearbeiten. Auch wenn Pilz Bezeichnung der Unzufriedenheit als "großes Hoffnungsgebiet" vielleicht nicht das gelungenste Sprachbild ist.

Die zweite Lektion des Populismus aber betrifft die Art, wie man dieses Feld der Unzufriedenheit beackert. Damit ist nicht Hetze und Ressentimentausbeutung gemeint, sondern das emotionale Andocken. Wie spricht man mit Leuten, die nicht seinesgleichen sind? Wie holt man sie aus der Frustration? Wenn die grünen Spitzen jetzt kontern, es gehe um sachlichen Stil und um lösungsorientierte Politik, dann verkennen sie etwas Grundlegendes: Sachlichkeit ist nicht der Gegenentwurf zur populistischen Hetze. Diese Art des sachlichen Redens bedeutet vielmehr, sich im Safe Space zu verschanzen. Außerhalb aber braucht es eine andere Art des Redens. Der grüne Ministerpräsident Kretschmann ist ein Spezialist dafür. In aller Ruppigkeit. Er sagt den Leuten: "Wir hören euch zu, aber das heißt nicht, dass ihr auch erhört werdet."