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Start-ups als Vorbilder in Sachen Pioniergeist

Von Franz Kühmayer

Gastkommentare

Für Start-ups gibt es nachvollziehbare Gründe, in den Orbit von Großbetrieben zu kommen. Neben Image- und Know-how-Transfer ist es letztlich eine valide Exit-Strategie. 71 Prozent der deutschen IT-Gründer können sich die Übernahme durch ein größeres Unternehmen sehr gut vorstellen. Auch im Biotechnologie-Sektor und über kurz oder lang wohl auch im Bereich der Fintechs ist das ein typischer Entwicklungspfad in Deutschland.

Jedenfalls werden Start-ups schon lange nicht mehr als lustige App-Entwicklungs-Buden gesehen, sondern als Pioniere in Sachen Innovationskultur. Sie rütteln auch an traditionellen Branchen. Zugleich könnten die Erwartungen, die in sie gesetzt werden, nicht höher sein. Schnell wachsende junge Unternehmen, oft als "Gazellen" bezeichnet, sind die Hoffnungsträger für eine Erneuerung der Wirtschaft, für Wachstum und eine positive Entwicklung des Arbeitsmarktes.

Einem dynamischen Gründungsgeschehen wird von der Politik eine hohe gesamtwirtschaftliche Relevanz zugemessen: Von ihm sollen hochwertiges Beschäftigungswachstum und starke, positive Effekte auf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung ausgehen.

Es ist kompliziert: Unternehmen und Start-ups

Viele etablierte Unternehmen suchen den Zugang zum Gründerland, um auf Innovationen zu stoßen. Doch bei Kooperationen ist häufig festzustellen: Während an der unmittelbaren Schnittstelle heiß und intensiv zusammengearbeitet wird, ist bereits wenige Flure weiter der Geist des Frischen deutlich abgekühlt. Tief dringt das Neue, das ein Start-up einbringt, nicht ins große Unternehmen ein. Der wirkliche Veränderungswille bleibt allzu oft romantische Sehnsucht. Man will den Pioniergeist der Start-ups ins Unternehmen bringen, ohne dabei die alten Organisations- und Geschäftsmodelle verwerfen zu können.

Das ist nachvollziehbar, denn die Kehrseite des Spannenden am angedockten Start-up ist seine Fremdheit gegenüber den Vorgehensweisen der eigenen Organisation. Doch wie sich das Start-up gegen rigide Konzernvorgaben sträubt und in seinen Prozessen eine Gefahr wittert, die die eigene Beweglichkeit einschränken könnte, wehrt sich auch das Großunternehmen mit sturem Beharren gegen das Disruptive. Im Ergebnis werden Innovationslabore gegründet, Centers of Excellence und andere Abteilungen, die in sich selbst abgekapselt gegenüber dem Regelbetrieb sind. Die Wirkung der Kooperation erstickt bereits an dieser Stelle am Mangel an unternehmerischer Atemluft.

Die Frage lautet demnach nicht nur, wie das Neue, das Fremde, das Frische zu uns kommt, sondern vor allem, wie es imstande ist, uns zu durchdringen. Oder anders gefragt: Wie hoch ist die tatsächliche Anschlussfähigkeit und Risikobereitschaft von großen Unternehmen ist gefragt Anschlussfähigkeit und Transferleistung von Innovation Centers und Start-up-Kooperationen? In Unternehmen mangelt es an der Bereitschaft, Komfortzonen zu verlassen, für Ideen Risiko in Kauf zu nehmen, unternehmerisch heranzugehen. Dazu braucht es einen Nährboden, Treibstoff und Infrastruktur. All das gibt es in der Start-up-Welt. Es ist der Pioniergeist, den es auch in großen Unternehmen wieder zu befeuern gilt.

Starke Führungsetzt Energie frei

Pioniergeist entsteht dort, wo sich Strukturen nicht gegen Risiken auflehnen, sondern sie aktiv suchen; wo interne Netzwerke nicht zum Machterhalt dienen, sondern zum Austausch von Ideen und Ressourcen; wo Hierarchien nicht als Filter eingesetzt werden, um Neues auszusieben, sondern als Verstärker. Die Kernfrage lautet: Ist unsere Organisation in ihren Strukturen, Abläufen und Entscheidungsgremien besser geeignet, Bestehendes zu erhalten und verwalten oder Neues zu lernen, sich von innen heraus immer wieder zu ändern und Neues zu schaffen?

Wo Führung stark ist, setzt sie Energie frei - oder hält sie zurück. Das ist eine Frage des Führungsstils. "Die Bewusstseinsgrenzen des CEO sind die Wachstumsgrenzen des Unternehmens", bringt es die Organisationsberaterin Dr. Maria Spindler auf den Punkt. Die gute Nachricht dabei: Gerade weil wir künftig mehr Führung (aber weniger Management) brauchen, wird die Qualität der Führungsarbeit und die Kompetenz der Führungskraft an Bedeutung gewinnen. Der Nebeneffekt ist, dass es keine Vorbedingung für den Wandel gibt. Er fängt bei der Führungskraft selbst an - und kann damit sofort beginnen.

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Franz
Kühmayer

ist Trendforscher am Zukunftsinstitut und Geschäftsführender Gesellschafter des österreichischen Consulting-Unternehmens KSPM. Er war davor unter anderem Manager bei Microsoft.