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"New Deal" und SPÖ

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Beitrag zu einer Debatte.


Sechs Autoren, junge Sozialdemokraten, wie der "Standard" sie nennt, haben ebendort einen Text veröffentlicht, der ein Appell an ihre Partei ist, sich der eigenen Wurzeln zu besinnen. Vom 3. Weg abzukommen gewissermaßen, jenem Weg, den die Blairs und Schröders eingeschlagen haben, um zu einer "authentischen" Politik zurückzufinden. In dem Text, der Mahnung und Manifest gleichzeitig ist, haben die Autoren auch skizziert, wie eine solche Politik aussehen soll.

Nach ihrer Vorstellung braucht es tatsächlich jenen "New Deal", den Kanzler Kern bei seinem Amtsantritt in Aussicht gestellt hat. Einen "New Deal", der eine Gestaltung der Gesellschaft vorgibt, statt sich die Themen von den Rechten diktieren zu lassen. Diese Gestaltung soll auf einer Reihe von Feldern greifen: Arbeitsplätze, Mindestlohn, Privilegien. Es gilt also, von Hetze auf Sachthemen umzuschalten. Es gilt, von dort wegzukommen, wo nichts zu gewinnen ist - nämlich der Fixierung auf das sogenannte "Ausländerthema" - und die drängenden gesellschaftlichen Probleme als soziale Probleme zu artikulieren. Also die national codierten Probleme wieder als soziale Fragen zu stellen.

Aber selbst wenn man auf Sachthemen umschwenkt, entgeht man nicht dem Problem, dass etwas akut ist in der Gesellschaft. Oder als akut empfunden wird. Etwas, das die Leute bewegt. Nämlich die massive Veränderung der Gesellschaft. Jene Veränderung von einer Gesellschaft der Ähnlichen hin zu einer Gesellschaft der Unähnlichen. Das lässt sich nicht einfach übergehen. Man kann das, was akut ist, nicht einfach durchstreichen und zu einem anderen Tagesordnungspunkt übergehen.

Denn das, was da akut ist, betrifft nicht nur die rechte Hetze, es betrifft auch alle Sachthemen. In der Politik transportiert jedes, ausnahmslos jedes Sachthema eine Vorstellung von der Gesellschaft. Deshalb kann man auch nicht einfach auf alte sozialdemokratische Begriffe zurückgreifen, ohne das Akute zu reflektieren. Solidarität - mit wem ist man solidarisch? Auch mit den Unähnlichen? Gerechtigkeit - für wen? Und wenn die Antwort nahezuliegen scheint - für alle Unterdrückten -, was sagen dann die Arbeiter dazu, deren Interessen sie doch vertreten wollen? Wenn man "hinaus geht zu den Leuten", wie das so schön heißt, was bekommt man da zu hören? Und was sagt man dazu? Es gab mal so ein kurzes Video: Kanzler Kern fährt Straßenbahn (ich glaube, es war in Graz) - im freundlichen Gespräch mit der Bevölkerung. Bis einer kommt und fragt: "Und wie ist das mit den Ausländern?" Es braucht eine Antwort auf diese Frage. Eine überzeugende Antwort.

"New Deal" heißt, ein neues Verhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung herzustellen. Aber dazu muss klar sein, wer zur Bevölkerung, wer zum Demos gehört, und wer nicht. Roosevelts historischer "New Deal" hat den Leuten das gegeben, woran es auch heute am meisten mangelt: Hoffnung. Hoffnung aber ist erstaunlicherweise immer an Anstrengung gebunden. An die Anstrengung, kollektiv, gemeinsam etwas, das Leben, die Gesellschaft zu gestalten. Es kann keinen "New Deal" geben, wenn man nicht Stellung dazu nimmt, was und wer dieses Gemeinsame ist und sein soll.