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Die Erwartungen der jungen Generation an die Arbeitswelt: Zurück zu den Wurzeln oder nicht?

Von Elisa Aichinger

Gastkommentare

Vor kurzem hat Deloitte zum sechsten Mal den "Millennial Survey" veröffentlicht. An dieser Studie beteiligen sich jährlich rund 8000 berufstätige, nach 1982 geborene Frauen und Männer aus rund 30 Ländern. Sie geht der Frage nach, welche Werte und Einstellungen junge Menschen in das Arbeitsleben mitbringen und inwieweit diese ihre Erwartungen an eine zufriedenstellende Arbeitsbeziehung prägen.

In den vergangenen Jahren haben die Ergebnisse den sogenannten Millennials eine hohe Bereitschaft zum Jobwechsel attestiert. Ihren beruflichen Weg haben sie - losgelöst von Unternehmens-, Branchen- oder geografischen Grenzen - sehr uneingeschränkt gesehen und ihre Arbeitgeber vor damit keine leichte Aufgabe gestellt, wenn es darum ging, ihre Loyalität zu gewinnen. Deshalb wurden dieser Generation auch einige nicht besonders schmeichelhafte Eigenschaften zugeschrieben - allen voran eine vermeintliche berufliche Flatterhaftigkeit.

Neues Bedürfnis nach Sicherheit

Die diesjährige Umfrage wirft die bisherigen Erkenntnisse über den Haufen: Das Bedürfnis nach beruflicher Neuorientierung ist drastisch gesunken, dem gegenüber steht ein bemerkenswert starker Anstieg "traditioneller" Bedürfnisse an die Berufstätigkeit - wie finanzielle Sicherheit und Stabilität des Arbeitsplatzes. Bisher hat man diese Bedürfnisse eigentlich nur den älteren Generationen zugeschrieben.

Woher kommt dieser auffallend ausgeprägte Wunsch nach beruflicher Stabilität innerhalb des vergangenen Jahres? Ist es die stockende wirtschaftliche Entwicklung der Länder? Sind es jüngste politische Ereignisse wie der Brexit und Donald Trumps Wahlsieg? Oder ist es einfach nur die Lebensphase? Schon werden zynische Stimmen laut, die sagen: "Nach einigen Jahren der Berufstätigkeit hat diese Traumtänzer nun auch die Realität eingeholt."

Bei aller Skepsis gegenüber der Generationentheorie ist ein Zusammenhang zwischen diesem Wertewandel und den einschneidenden Ereignissen des letzten Jahres nicht zu leugnen: Die Generationenforschung geht davon aus, dass eine "Generation" dadurch entsteht, dass eine Gruppe von Geburtsjahrgängen in ihrem jungen Erwachsenenalter und in den ersten Berufsjahren große Ereignisse erlebt, die ihre Werte und Einstellungen prägen. So haben Menschen, die zu Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs in das Berufsleben eingetreten sind, andere Erwartungen als jene, die erste Arbeitserfahrungen zu Zeiten von Globalisierung und Marktliberalisierung gemacht haben. Und wiederum anders sieht es bei denen aus, die während oder nach der Wirtschaftskrise ihren ersten Job angetreten haben.

So ist es wenig überraschend, wenn vor allem in entwickelten Ländern Millennials zunehmend pessimistischer auf die politische und soziale Entwicklung blicken. Besonders stark zeigt sich dieser Trend bei der Einschätzung der politischen Situation, die sich nur nach Meinung von einem Viertel der Millennials innerhalb des nächsten Jahres verbessern wird.

Hohe Erwartungen an Arbeitgeber

Disruptive Zeiten führen zu einem Bedürfnis nach mehr Stabilität - ob im Beruf oder im Privatleben, ob bei Jung oder Alt. Aber lassen diese Ergebnisse auch darauf schließen, dass sich Millennials zurück zu traditionellen Berufs- und Rollenbildern oder Einstellungen bewegen?

Ich denke nicht: Ein beachtlicher Teil der Millennials scheint zwar durch aktuelle Entwicklungen verunsichert zu sein, erwartet aber - vermutlich gerade deswegen - sehr viel von den Arbeitgebern. Millennials setzen zunehmend voraus, dass Unternehmen nicht nur auf Umsatzziele achten, sondern sich auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden - und entsprechend agieren. Die aktuelle Studie belegt das: 9 von 10 Millennials sind der Meinung, Unternehmenserfolg könne nicht nur durch finanzielle Kennzahlen definiert werden. Und drei Viertel sehen unternehmerisches Handeln als Möglichkeit, auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können.

Einsatz für gemeinnützige Projekte fördert Optimismus

Am besten können Unternehmen naturgemäß bei den Themen Ausbildung, Weiterentwicklung, Bildung und Arbeitslosigkeit einen Beitrag leisten. Diese wichtige Fähigkeit schreiben die jungen Berufstätigen den Unternehmen auch zu, und dieser Faktor hat wesentliche Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit. Der Einsatz von Arbeitgebern für soziale Zwecke oder Initiativen stärkt das Gefühl der Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit und die Loyalität. Die Möglichkeit, sich für gemeinnützige Projekte engagieren zu können, führt außerdem zu einer optimistischeren Einstellung gegenüber sozialen Entwicklungen.

Für die Arbeitswelt bedeuten diese Erkenntnisse vor allem drei Dinge: Einerseits stärken Unternehmen, die sich neben ihrem Kerngeschäft auch ihres gesellschaftlichen und sozialen Einflusses bewusst sind, ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit - denn das erhöht in den Augen der jungen Arbeitnehmer die Attraktivität der Arbeitgeber.

Gleichzeitig ist eine hohe Attraktivität unverzichtbar, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. In Zeiten der Digitalisierung braucht es das Wissen, die Qualifikationen und die Kompetenzen dieser Generation und der nachfolgenden. Trotz der erwarteten Automatisierung in vielen Berufszweigen sind die Digital Natives für diese Transformation unverzichtbar.

Und schlussendlich können Arbeitsbeziehungen, die für beide Seiten wertbringend und zufriedenstellend sind, dazu beitragen, dass die Loyalität sowohl der Millennials als auch ihrer Arbeitgeber nachhaltig steigt und stabile Arbeitsbeziehungen wieder mehr zur Regel werden. Davon kann schlussendlich die gesamte Arbeitswelt nur profitieren.

Elisa Aichinger ist Managerin im Bereich Consulting bei Deloitte Österreich.