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Weder der "Plan A" noch der Regierungsplan "für Österreich" sind ein SPÖ-Parteiprogramm

Von Thomas Nowotny

Gastkommentare

Sozialdemokratische Grundwerte und das rot-schwarze Regierungsprogramm. Der Plan "für Österreich" bringt in Summe viel Positives. Problematisch ist jedoch die ideologische Unausgewogenheit.


Der "Plan A" des Bundeskanzlers ist kein sozialdemokratisches Parteiprogramm. Daher sucht man darin vergeblich nach einigen jener Programmpunkte, welche die weltanschauliche Grundlage und ideologische Identität der Partei bestimmen. Unerwähnt im "Plan A" ist etwa die Forderung nach höherer Besteuerung von Vermögen, Besitz, Erbschaften und Spekulationsgewinn; oder die Forderung nach einer Gesamtschule für die 10- bis 14-Jährigen.

Der "Plan A" war eher ein auch an Koalitionspartner gerichteter Vorschlag für ein Arbeitsprogramm im verbleibenden Rest der Legislaturperiode. In schwierigen Verhandlungen mit diesem Koalitionspartner wurde daraus das Regierungsprogramm "für Österreich". Es verspricht - auch im Sinne der Sozialdemokratie - vor allem eine Dynamisierung der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Traditionell soziale Anliegen finden dabei Berücksichtigung unter anderem durch die Einführung von Mindestlohn (Punkt 1.17), eines Beschäftigungsbonus (1.1), Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsmobilität (1.12) oder eine Beschäftigungsaktion für 20.000, Langzeitarbeitslose ab 50 Jahren (1.18).

Jedenfalls bringt das "Programm für Österreich" - alles in allem - viel Positives und dokumentiert den Willen der Regierung zur Fortsetzung der Koalition und zu entschlossenem Handeln. Problematisch am Programm ist jedoch seine ideologische Unausgewogenheit. Anders als die SPÖ hat sich darin die ÖVP mit einigen ihrer eher extremen ideologischen beziehungsweise programmatischen Vorstellungen durchgesetzt.

Nicht nur um der Koalition, sondern auch um der Demokratie willen sollte keine der beiden Parteien von der anderen die Preisgabe von ideologischen oder programmatischen Kernzielen - sozusagen die Preisgabe ihrer Seele und damit ihre Selbstaufgabe - fordern. Die SPÖ verlangt dementsprechend von der ÖVP nicht das Ende aller Förderungen der Landwirtschaft oder die Kündigung des Konkordates mit der katholischen Kirche. Die ÖVP hingegen zögert nicht, sich über ähnliche Kernanliegen der SPÖ hinwegzusetzen. Das Koalitionspapier "für Österreich" enthält daher Programmpunkte, die mit sozialdemokratischen Grundwerten unvereinbar sind.

Halbherziger Kampf gegen Steuervermeidung

Kanzler Kern hat wiederholt gegen Steuervermeidung internationaler Konzerne polemisiert. ("Jede Würstelbude zahlt mehr an österreichischen Steuern als Starbucks.") Im Regierungsprogramm "für Österreich" findet sich daher das Versprechen, internationale und europäische Maßnahmen gegen Steuervermeidung zu unterstützen. Österreichs Beitrag dazu bleibt allerdings bescheiden: Es soll lediglich die Werbeabgabe auch auf Online-Werbung eingehoben werden.

Das wäre gerade noch hinnehmbar, fände sich nicht weiter hinten der Programmpunkt 5.4, der nicht den Kampf gegen Steuervermeidung in Aussicht stellt, sondern vielmehr deren ausdrückliche Förderung: Österreich soll als Standort für internationale Familienstiftungen dadurch attraktiv gemacht werden, dass man diese von den international üblichen Verpflichtungen zum Gemeinnutz entlastet und den Berechtigten die Entnahme von Gewinnen erleichtert. Österreich soll damit als Zufluchtsort für steuerscheues, in Stiftungen geparktes Finanzkapital beworben werden.

Nicht nur wird der Sozialdemokratie also zugemutet, auf jede Besteuerung von Vermögen zu verzichten. Es wird ihr sogar zugemutet, die Ausweitung von einschlägigen Steuerprivilegien zu dulden und hinzunehmen, dass Österreich zum Zufluchtsort von Steuerflüchtlingen aus anderen Ländern wird.

Förderung von Unternehmensgründungen

Die Wirtschaft soll durch die Förderung von Unternehmensgründungen - und da vor allem durch Neugründungen innovativer Betriebe - dynamisiert werden. Ein Werkzeug dazu wäre etwa die Bereitstellung von Risikokapital. Dieses soll durch eine staatliche Garantie gegen mögliche Verluste abgesichert werden (Punkt 1.23). Dadurch würden die Verluste der Kapitalgeber der Gemeinschaft aufgebürdet, während sie selbst ungehindert überdurchschnittlich hohe Gewinne einstreifen dürften. Das aber ist weder gerecht noch wirtschaftlich sinnvoll. Besser wäre es, sowohl Gewinne wie auch Verluste zu sozialisieren, zum Beispiel durch eine direkte Beteiligung eines staatlichen Fonds an neugegründeten Unternehmen.

Manche Regelungen sollten besser sein als EU-Minimum

Unvereinbar mit sozialdemokratischen Grundwerten ist die im Programm an mehreren seiner Stellen durchscheinende grundsätzliche Staatsskepsis, ja sogar Staatsfeindlichkeit. Demzufolge wäre staatliche Tätigkeit und Regelungen über weite Strecken nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich. Nun könnten einige Regeln - wie etwa unter 1.10 erwähnte Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz - tatsächlich nicht länger zeitgemäß oder nützlich sein und daher beseitigt werden. Aber die Forderungen des Regierungsprogramms gehen weit über diesen beschränkten Bereich hinaus (5.1).

Das zeigt sich in der Forderung, jeder neuen staatlichen Regelung mit quasi mechanischer Automatik die Abschaffung einer älteren Regelung entgegensetzen zu können ("one in - one out"). Aber auch in jener, "dass, wo möglich, jede neue Regelung auf befristete Zeit erlassen wird" - was natürlich eine gewaltige, die Wirtschaft und Gesellschaft schädigende Unsicherheit mit sich brächte. Und laut der Forderung nach einem "golden plating" bei der Umsetzung europarechtlicher sollte es nie zu einem "Regulierungsgrad kommen, der dichter ist als jener, der zwingend von der EU vorgeschrieben" ist.

Dürfte demnach Österreich etwa bei Umwelt- und Arbeitnehmerschutz oder der Regelung von Finanzmärkten niemals auch nur ein Quäntchen aufs europäische Minimum drauflegen? Sollte es wirklich unser Ehrgeiz sein, die im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten jeweils schwächsten sozialen und ökologischen Regelungen zu beschließen?

Im Zuge der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen verdichten sich die gegenseitigen Abhängigkeiten. Um den Menschen in diesem Geflecht Sicherheit und Vorhersehbarkeit zu schaffen, sind Regelungen unumgänglich. Dem steht die plakativ gestellte Forderung entgegen, dass bestehende Regelungen "in den nächsten Jahren drastisch reduziert werden sollen".

Neue Investoren im gemeinnützigen Wohnbau

Ernste, sowohl wirtschaftliche als auch soziale Probleme entstehen durch überdurchschnittlich steigende Mieten und Preise für Wohnungen. Das ist unter anderem darin begründet, dass das Wohnraumangebot nicht mit der rasch wachsenden Nachfrage Schritt hält. Es müsste mehr gebaut werden, und das muss finanziert werden. Gemäß "Plan für Österreich" sollen Anreize für Pensionsfonds, Versicherungen und anderen "Quasi-Banken" geschaffen werden, in den gemeinnützigen Wohnbau zu investieren (1.8). Sie sollen ihr Kapital marktüblich verzinst bekommen. Solche Zinsen wären zwangsweise höher als jene, die von Bund oder Ländern für aufgenommene Kredite bezahlt werden. Die erwähnten Quasi-Banken sollten darüber hinaus, und wenn sie ihr finanzielles Engagement einmal abstoßen, von der inzwischen bei den betreffenden Realitäten eingetretenen Wertsteigerung profitieren.

Diese privaten Finanzeinrichtungen haben selbstverständlich Interesse an solchen, durch die Wertsteigerung der Realitäten geschaffenen Gewinnen. Sie werden daher mit Nachdruck dafür sorgen, dass es zu solchen Wertsteigerungen kommt - und damit zu einem Anstieg der Wohnpreise. Diese Bevorzugung der Interessen des Finanzkapitals bringt daher eine Aushöhlung und Teilprivatisierung des gemeinnützigen Wohnbaus.

Arbeitslosigkeit steigt nichtnur wegen EU-Ausländern

Die Forderung nach einer Beschränkung des Zuzugs von Arbeitnehmern aus anderen EU-Staaten wurde nicht von der ÖVP erhoben. Sie kommt von Arbeitnehmervertretern. EU-Ausländer sollten dem Regierungsplan gemäß nur dann zum Zug kommen, falls sich "für eine Stelle kein geeigneter, in Österreich gemeldeter Arbeitslose findet". Der Zuzug von Arbeitskräften aus anderen EU-Staaten hat sicher zum Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen. Aber einerseits verbietet zwingendes EU-Recht die mit der obigen kategorischen Formulierung geforderte breitflächige Abriegelung des Arbeitsmarktes. Andererseits ist dieser Zuzug von EU-Arbeitnehmern auch nur einer von mehreren Gründen. Die Arbeitslosigkeit in Österreich steigt nämlich seit langem - und sie ist auch schon angestiegen, bevor Österreich EU-Mitglied wurde, als die Ostgrenzen noch durch den Eisernen Vorhang abgeriegelt waren.

Hauptsächliche Ursache steigender, die Gesellschaft zersetzender Arbeitslosigkeit sind die durch die Technologie veränderten Produktionsbedingungen. In ähnlicher Weise unaufhaltsam und zersetzend ist die in allen reichen Staaten wachsende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen. Hat linke Politik dem nichts entgegenzusetzen, so überlässt sie das Feld rückwärtsgewandten, nationalistischen, populistischen und ansatzweise undemokratischen Parteien.

Die Sozialdemokratie muss dazu ein eigenes Programm vorstellen. Der Regierungsplan "für Österreich" kann und will auch nicht der Ersatz dafür sein.