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Politische Bildung neu denken

Von Britta Breser

Gastkommentare
Britta Breser forscht und lehrt zur Politischen Bildung und Demokratieentwicklung sowie zur Politischen Kommunikation im Kontext der EU.

Demokratie in der Krise: Europa braucht transnationale Demokratie-Kompetenzen.


Die Debatte rund um das EU-Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada machte wieder deutlich: Transnationale Politik offenbart die Grenzen von Demokratie in ihrer bisher bekannten nationalstaatlichen Ausprägung. Politische Probleme werden unübersichtlicher, Abhängigkeiten größer, Handlungsspielräume enger, das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit nimmt ab, die Distanz zu demokratischen Institutionen wächst.

Jahrzehntelang fokussierte die Politische Bildung in Österreich fast ausschließlich das nationale Politiksystem. Demokratie-Kompetenzen für ein vernetztes Europa bleiben hierzulande häufig unterbeleuchtet. Obwohl institutionelle Rahmenbedingungen für einfache Bürger zur Mitgestaltung der EU bisher nur mangelhaft ausgeformt sind, gilt es transnationale Demokratie als Perspektive offenzulegen und weiterzuentwickeln. Welches spezielle Wissen und welche spezifischen Kompetenzen benötigen Bürger, um auch in immer komplexer werdenden politischen Konstellationen der EU demokratische Gestaltungsspielräume einnehmen zu können?

Demokratische Zusammenarbeit auf EU-Ebene besteht aus zahlreichen Entscheidungszentren in undurchsichtigen Hierarchien. Um Partizipation wahrnehmen zu können, ist Wissen über politische Zuständigkeiten in diesem mehrdimensionalen System nötig. Dies gilt als Auftrag an die Politische Bildung, unterschiedliche Ebenen von EU-Politik sowie deren Beteiligungsmöglichkeiten zu kommunizieren und neue Formen einzuüben - E-Democracy-Tools nicht zu vergessen.

Entgegen medialer Vermittlung, die sich bevorzugt auf kurzfristige und plötzliche Ereignisse konzentriert, kennzeichnen die EU-Politik langwierige Prozeduren. Zusätzlich zur kritischen Analyse medialer Darstellung der EU-Politik muss Politische Bildung dementsprechend prozessorientiert vermittelt werden und sollte sich nicht nur auf einmalige politische Ereignisse konzentrieren. Das Wissen um den richtigen Zeitpunkt für eine politische Beteiligung im Rahmen dieser langfristigen Prozesse ist relevant.

Politische Bildung trägt dann zu mehr Demokratie bei, wenn sie politische Urteils- und Handlungskompetenzen anbahnt. Es braucht ein Politikbewusstsein über nationale Grenzen hinaus und Sensibilität für grenzüberschreitende Zusammenhänge, um reflektierte Meinungen bilden und eigene Interessen in grenzüberschreitende Entscheidungen einbringen zu können.

Fest steht: Deutlich mehr Männer als Frauen und vor allem ressourcenreichere soziale Gruppen beteiligen sich an EU-Entscheidungen. Mangelndes Wissen über das EU-System, fehlende Fähigkeiten bezüglich Informationsrecherche und Beteiligung auf Internetplattformen sowie geringe Sprachkenntnisse sind gravierende Barrieren für EU-Partizipation. Um Voraussetzungen für Chancengleichheit zu schaffen, sollte die Politische Bildung daher speziell jene berücksichtigen, die bisher bei der Gestaltung der europäischen Politik benachteiligt sind. Gerade aufgrund des immer leichter werdenden Zugangs zu Informationen und deren Unübersichtlichkeit fühlt sich Europas Bevölkerung oft nicht informiert genug, um politische Entscheidungen zu tätigen.