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"Wir sind nicht schwach"

Von Menerva Hammad

Gastkommentare
Menerva Hammad ist freie Journalistin und Feministin.

Es gibt den einen Feminismus nicht. Es gibt Feminismen. Ich zum Beispiel glaube daran, dass es einen ganz speziellen Platz in der Hölle für Frauen gibt, die anderen Frauen nicht helfen. Diese Theorie stammt von der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright. Ich bin also eine Muslima, die ihren Feminismus nach dem Credo einer christlich erzogenen Frau mit jüdischen Wurzeln lebt: Willkommen im Jahr 2017!

Es gibt FeministInnen, die denken, das Kopftuch oder das Muslimasein an sich, gehe nicht mit dem Kampf für Frauenrechte einher. Mein Feminismus ist anders. In meinem Feminismus darf ich tragen, was ich möchte. Und würde ich das Kopftuch ablegen, würde ich nicht anders aussehen als die Frau, die ich bin. Ich habe nie verstanden, warum dieses Stück Stoff für so viel Wirbel sorgt.

Die Politiker dieses Landes haben diesem Tuch viel mehr Bedeutung verliehen, als es eigentlich hat. Ich kenne Boxerinnen, die feministisch leben, Köchinnen, Jüdinnen, Atheistinnen, Nonnen, Männer und eben auch Musliminnen. Würden alle FeministInnen gleich denken und aussehen, wäre der Feminismus bedeutungslos.

Es ist doch viel echter, wenn unterschiedliche Menschen zusammenkommen und für eine gemeinsame Sache kämpfen. Würde es eine Debatte über das Verbot von roten Schuhen für Blondinen am Arbeitsplatz geben, würde ich genauso aufschreien, wie bei einem Kopftuchverbot. Ich weiß nicht, woher sich männliche Politiker das Recht nehmen, Frauen ständig nach ihren Vorstellungen kleiden zu wollen. Es ist mein Körper. Wir Frauen sind keineswegs das schwächere Geschlecht, aber wir lassen uns ständig Dinge gefallen – wie eben Kleidungsvorschriften. Wer heute ein Kopftuch verbietet, der bestimmt morgen die Länge deines Minirocks und er selbst wird immer tragen dürfen, was er möchte.

Zeitgemäßer Feminismus wäre, unsere Söhne so zu erziehen, dass sie den Körper der Frau respektieren und nicht darüber zu bestimmen versuchen. Denn dieser Körper leistet sehr viel. Er halbiert sich fast, während er Leben gibt. Nur durch eine Frau, die wir auch hier nicht genug respektieren, wird aus einem Wesen, das kleiner ist als ein Sesamkern, ein Mensch. Ein Mann. Ein Mann, der sie dann als schwach bezeichnet, sie in die Küche drängt, weil sie ja sonst nichts kann, ihr das Kopftuch abnehmen möchte, sie als dumm bezeichnet, weil sie blond ist, oder billig, wenn sie ein wenig Busen zeigt. Erziehen wir unsere Söhne lieber zu den Männern, die unsere Gesellschaft heute braucht und hoffen wir, dass es die nächste Generation besser macht.

Update (16:00) von der Redaktion:

Da es Unstimmigkeiten zum von der Autorin verwendeten Begriff "Jüdin" gab, möchten wir hier einen Auszug aus einem Interview mit Madeleine Albright veröffentlichen:

Albright: Nun, mein religiöser Hintergrund ist ein wenig verwirrt. Ich wurde katholisch erzogen und heiratete einen episkopalischen Christen und trat seiner Kirche bei, und jetzt bin ich also jüdisch. Gerade war ich bei der Bar Mitzwa meiner Enkelin, sie wächst in einer jüdischen Familie auf. Andere in unserer Familie sind Christen, und ich bin vermutlich so eine Kombination von allem. Ich bin fasziniert vom Judentum und habe nun eine Menge darüber gelernt, aber ich würde mich nicht als praktizierende Jüdin bezeichnen. Das wäre in meinem Fall ein wenig künstlich. Aber ich werde vom Rabbi David Saperstein in Washington zum Passah Fest eingeladen und fühle mich geehrt.