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Wie man verlorene Wahlen gewinnt

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Warum gilt es eigentlich als Sieg über die Populisten, wenn Politiker der politischen Mitte selber populistische Politik machen?


Ist bei den jüngsten Wahlen in den Niederlanden "der Populismus besiegt" worden, wie etwa der internationale Nachrichtensender CNN am Tag nach der Wahl urteilte, völlig im Gleichklang mit den meisten europäischen Medien?

Das Narrativ vom politischen Deich gegen Rechtsaußen, der in Holland gegen die populistische Sturmflut gehalten habe, so wie voriges Jahr bei den hiesigen Präsidentschaftswahlen mit Alexander Van der Bellens Sieg über Norbert Hofer, erfreut sich großer Beliebtheit. Es gilt nicht zuletzt in Hinblick auf die für die Zukunft nicht nur Frankreichs, sondern der ganzen EU entscheidenden Präsidentschaftswahlen der Grande Nation als wichtiges Indiz dafür, dass auch dort der nationale Populismus des Front National unter Marine Le Pen vor einer Schlappe stehen könnte.

Eine plausibel erscheinende Analyse, die freilich einen entscheidenden Schwachpunkt hat: Sie lässt völlig außer Acht, dass Parteien wie jene von Geert Wilders, Le Pen oder auch Heinz-Christian Strache die Politik ihres Landes mehr oder weniger stark verändert haben, auch ohne an der Regierung zu sein. Sie setzen ihre politischen Forderungen vielfach durch, weil die regierenden Parteien des politischen Zentrums meinen, diese übernehmen zum müssen, um nicht von den Wählern an die Wand gedrückt zu werden.

Zuletzt war das besonders gut zu beobachten. "In den Niederlanden sagen Zentrumspolitiker heute Dinge, für die sie vor 30 Jahren ohne Scherz wohl noch ins Gefängnis gegangen wären. Wir hatten in den Achtzigern einen sehr rechten Politiker, der etwa die multikulturelle Gesellschaft loswerden wollte. Das ist heute Mainstream", meinte der niederländische Autor Rutger Bregman nach den Wahlen im "Kurier". Tatsächlich ließ nicht etwa Wilders, sondern der liberale Regierungschef Mark Rutte vor dem Wahlgang Zeitungsinserate schalten, in denen er sinngemäß alle Ausländer, denen es in den Niederlanden nicht passe, dazu aufforderte, doch das Land zu verlassen. Den FPÖ-Chefideologen Herbert Kickl dürfte das vor Neid erblassen lassen. Es ist daher nicht übermäßig übertrieben zu behaupten: Der Liberale Rutte verhinderte einen Triumph des Populismus, indem er diesen einfach zum Teil kopierte und damit selbst einer wurde.

In Österreich ist ganz Ähnliches zu beobachten; freilich mit noch ungewissem politischen Ausgang. Auch hier übernehmen die beiden Regierungsparteien seit einiger Zeit sukzessive Positionen - vor allem in der zentralen Frage der Migrationskrise -, die noch vor einem Jahr von der FPÖ vertreten und von ihnen attackiert wurden.

Es ist deswegen zwar nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch, wenn Wilders trotz seines nicht wirklich triumphalen Wahlergebnisses erklärt, "die Wahlen gewonnen" zu haben - weil er die Politik gezwungen hat und auch weiter zwingen wird, vieles von dem umzusetzen, was er fordert.

Im Vietnam-Krieg der 1970er Jahre wurde ein gewisser Major Booris von der US-Army berühmt mit dem Satz: "Um das Dorf zu retten, mussten wir es zerstören." Europas bedrängte Zentrumsparteien scheinen das irgendwie ganz ähnlich zu sehen. Wer den Vietnam-Krieg trotz dieser Taktik freilich letztlich verloren hat, ist auch bekannt.