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Eine positive Zukunft Europas statt Nationalstaaterei

Von Werner Kogler

Gastkommentare
Werner Kogler ist stellvertretender Klubobmann der Grünen.

Die EU ist unsere größte Chance, Herausforderungen wie Ressourcenvernichtung und Artensterben gemeinsam zu meistern.


Jetzt ist in der EU nicht der Moment für Nostalgie, sondern der Moment, ein neues Kapitel europäischer Geschichte aufzuschlagen. Die Herausforderungen unserer Zeit sind globaler Natur: Rasanter Klimawandel, Ressourcenvernichtung, Umweltzerstörung, Artensterben; Vertreibung durch Hunger und Kriege; milliardenschwere Steuerflucht, und Korruptionsnetzwerke und Großverbrechen kennen keine Landesgrenzen. In der EU ist vieles nicht perfekt und an vielen Stellen machen die falschen Leute in vielen Bereichen die falsche Politik. Sie ist trotzdem unsere größte Chance, die genannten Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Die Blockaden der nationalen Regierungen in der Flüchtlings-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik müssen endlich überwunden werden. Aus der EU gilt es jetzt eine echte Demokratie mit Gewaltenteilung und ohne andauernde gegenseitige Vetos zu bauen. Durch ein starkes Europäisches Parlament und eine breite Bürgerbeteiligung am Europäischen Projekt.

Die von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker präsentierten Vorschläge im "Weißbuch zur Zukunft Europas" sprechen diese Probleme und deren Lösungen zu wenig an. Stattdessen klammern sie Fragen wie Gewaltenteilung, nationale Blockadepolitik und die Rolle des Europäischen Parlaments aus.

Abbauvorschläge mit Hilfe des Vorschlaghammers durch Außen- und "Europaminister" Sebastian Kurz wie die Halbierung aller Rechtsakte und gleich auch der Kommission sowie die Kürzung des Budgets führen in die falsche Richtung. Diese europapolitischen Geisterfahrer werden letztlich Österreich selbst schaden. So würde der Sozialabbau für EU-BürgerInnen, die in Österreich einzahlen, letztlich das Sozialsystem selbst schädigen. Damit bedient ausgerechnet der "Europaminister" lediglich anti-europäische Ressentiments. Aufrichtige EuropäerInnen, wie wir Grüne, werden sich mit einem bloßen Binnenmarkt plus militärisch-industriellem Komplex nicht abspeisen lassen.

Auch der offenkundig angestrebte Rückzug von Kanzler Christian Kern ins Schneckenhaus der Abschottung wird weder europarechtlich durchgehen noch politisch durchsetzbar sein. Wie will der SPÖ-Vorsitzende mit nationalen Hypotheken im Gepäck für eine Solidarunion eintreten? Auch der Abschied Österreichs von einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingsaufteilung wäre bloß Populismus. Der Kanzler blinkt links und biegt nach rechts auf den Pfad der Renationalisierer ein.

Wir wollen stattdessen an den Erfolgen Europas anknüpfen: Dort, wo wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt gelungen ist, wo Europa wie beim Klima-Abkommen positiv gewirkt hat, wo ursprünglich Demokratien wie in Spanien, Portugal und Griechenland nach jahrzehntelanger Diktatur stabilisiert wurden. Und wo europäische Friedenspolitik wie beim Iran-Atom-Abkommen Erfolg hatte.

Wir Grüne sehen uns dabei als aktiver Teil einer Allianz aus Zivilgesellschaft, NGOs, Gewerkschaften und positiv engagierten Kräften. Wie vor 60 Jahren wollen wir heute wieder eine Vision vorantreiben: ein neuer Vertrag für eine solidarische, ökologisch nachhaltige und demokratische Union.