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Die CEU geht uns alle an!

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Viktor Orbans Krieg gegen die Zivilgesellschaft.


Viktor Orban und das ungarische Parlament haben diese Woche im Eilverfahren eine "Lex CEU" beschlossen: Ein Gesetz zur Regelung ausländischer Privatuniversitäten, das genau auf die von George Soros gegründete "Central European University" zugeschnitten ist und diese zur Schließung zwingt. Warum die Eile? Weil die "Stimmung nervös ist", wie Orban mit Blick auf die Massenproteste gegen die Schließung, meinte.

Es ist dies keine inner-ungarische Angelegenheit. Es ist dies vielmehr eine gesamteuropäische Angelegenheit. Die Bedrohung der CEU geht uns alle an. Ungarn ist EU-Mitglied - was einen von Tag zu Tag mehr erstaunen kann. Und Orban, Role-Model für Autokraten, baut mitten in Europa Ungarn in eine autoritäre Demokratie um. Vor unser aller Augen. Und unter dem Schutz der EVP (der Fraktion der europäischen Volkspartei), deren Mitglied er und seine Fidesz-Partei immer noch sind. Und in diesem Umbau ist das Vorgehen gegen die CEU eine wesentliche Etappe. Orbans Kampf gegen die CEU ist ein exemplarischer Kampf.

Es ist etwas sehr Heikles gegen eine Universität vorzugehen. In jeder Gesellschaft sind Universitäten ein äußerst sensibler Bereich. Der Bereich, wo Wissen gesammelt, verwaltet und weitergegeben wird. George Soros hat mit der CEU ebenso wie mit seiner "Open Society Foundation" und seinen Menschenrechtsgruppen mitgeholfen, kritische Haltungen und unabhängiges Denken in den ehemaligen Ostblockländern zu befördern. Man mag zu Soros stehen, wie man will. Aber es gibt schlimmere Arten, seine Spekulationsgewinne auszugeben.

Wenn Orban jetzt so massiv und so dringend gegen die CEU vorgeht, dann kann man daran ersehen, wie erfolgreich die Etablierung und Entwicklung dieser Zivilgesellschaft ist. Oder eben war. Eben deshalb ist dies eine wichtige Etappe in der "Orbanisierung" Ungarns: der nächste Schritt in Richtung Anti-Pluralismus. Diesmal ist die Pluralität der Meinungen und Haltungen im Visier.

Nicht zufällig lauten die Vorwürfe, Soros hole "die Migranten nach Europa, um die Nationalstaaten zu zerstören". Und die Professoren der CEU seien "Offiziere einer Okkupationsarmee". Man sollte vor lauter Staunen über die Absurdität der Vorwürfe nicht übersehen, wie punktgenau diese Diktion das Terrain der Auseinandersetzung aufbereitet: Der Kampf gegen die Zivilgesellschaft wird legitimiert, weil diese zum Einfallstor deklariert wird - zum Einfallstor für "den Feind" (der im völkischen Denken immer zum "äußeren" Feind deklariert wird).

In Trump-Zeiten erfahren wir täglich, wie wichtig die Zivilgesellschaft ist. Deshalb muss jede Zivilgesellschaft, nicht nur die ungarische, verstehen: Die Offenheit, auf die sie sich beruft, ist heute nur noch eine partielle Offenheit - sie ist nicht jene derer, die eine gesellschaftliche Schließung wollen. Der Universalismus, auf dem Europa beruhen sollte - jener der Menschenrechte und der demokratischen Freiheit -, wird heute zu einer partikularen Position gemacht, wenn ihm der Krieg erklärt wird. Statt umfassend, wird er zu einer Partei in der Auseinandersetzung. In die Feindkonstallation gezwungen, bleibt der Zivilgesellschaft nur eines: Sie muss sich wehren.