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Pyrrhus-Sieg

Von Frank Nordhausen

Gastkommentare

Erdogan siegt und wendet sich nur an seine Anhänger. Das Land wird nach dem Referendum gespaltener sein als zuvor.


Nach einem dramatischen Foto-Finish zwischen den Stimmanteilen von "Ja" und "Nein" hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan noch am Abend seinen Sieg beim Referendum über die Verfassungsänderungen zur Einführung eines exekutiven Präsidialsystems in der Türkei verkündet.

Er tat es, bevor alle Stimmen ausgezählt und das Ergebnis von der Hohen Wahlkommission bestätigt wurde. Das hinterlässt kein gutes Gefühl - auch ohne die Manipulationsvorwürfe, die von der Opposition bereits erhoben werden. Dieses Gefühl bestärkte der Staatschef, als er in seiner Siegesrede nicht von Einheit und Versöhnung der politischen Lager sprach, sondern sich fast nur an seine Anhänger wandte. Das Land wird nach diesem Referendum tiefer gespalten sein als je zuvor.

Erdogan mag es vorkommen, als habe er sein politisches Lebensziel erreicht. Er wird die Türkei in Zukunft weitgehend ohne parlamentarische und juristische Kontrollen führen können. Seine Rede zeigt, dass er entschlossen ist, den Systemwechsel zügig umzusetzen. Er sagt, es seien 1,3 Millionen Stimmen, die den Unterschied ausgemacht haben. Aber er hat früher viel größere Siege errungen, mit weitaus mehr Stimmen Unterschied, selbst ohne Unterstützung seiner neuen Verbündeten, der rechtsextremen MHP.

Deshalb bleibt die Frage, wie gestärkt der Präsident aus dem Referendum hervorgeht. Es ist zu befürchten, dass er die Schrauben der Repression jetzt noch mehr anziehen wird und noch mehr Gewalt provoziert. Das aber ist Gift für die Wirtschaft, die Stabilität braucht, um die dringend benötigten Investitionen aus dem Ausland zu erhalten. Insofern erscheint der Ausgang des Referendums als Pyrrhus-Sieg, bei dem alle verlieren: Erdogan, die Türkei und ihre Menschen.