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Die Krim-Annexion nicht legitimieren

Von Olexander Scherba

Gastkommentare
Olexander Scherba ist Botschafter der Ukraine in Österreich. Foto: Ukrainische Botschaft

Die Besetzung der Krim durch Russland war ein Landraub.


Während ihres Moskau-Besuches kündigte jüngst die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein an, die Krim im Umgehen der ukrainischen Prozedere zu besuchen, und bezeichnete die Annexion von 2014 als "Heimholung". Offensichtlich hatte sie ihre Gründe, Russland diesen Gefallen zu tun und die Ukraine so zu beleidigen. Allerdings geht es nicht nur um sie und auch nicht nur um das spezielle Verhältnis der FPÖ zu Russland. Es geht um Völkerrecht und Gerechtigkeit.

Sowohl UNO als auch EU haben mehrmals festgestellt, dass die Krim-Annexion ein offensichtlicher Bruch des Völkerrechts war. Vor allem ein Bruch aller zwischen der Ukraine und Russland bis dahin bestandenen Verträge, angefangen mit dem Budapester Memorandum von 1994, in dem Russland (im Austausch für ukrainische Atomwaffen) feierlich versprach, für die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen zu sorgen. So viel zum ziemlich deutlichen juristischen Aspekt.

Auf der ukrainischen Krim stand niemand jemandem im Weg, niemands wurden Rechte verletzt. Es war im Prinzip ein glücklicher Ort, wo viele Menschen aus der ehemaligen UdSSR Urlaub machten. Dann kamen die Putin’schen "grünen Männchen". Mit einer Entscheidung wurde aus einem Ort, wo verschiedenste Sprachen, Nationen und ethnische Gruppen zu Hause waren, eine internationale Spannungszone, die viele Menschen verlassen mussten. Die Besetzung der Krim durch Russland im Februar und März 2014 war ein Landraub, in schlimmster Tradition der dunklen Jahre des 20. Jahrhunderts - verursacht durch imperiale Gier.

Jetzt kehrt die Krim mit Volldampf zurück in die Zeit der Sowjetunion. Hinter der glitzernden Fassade passiert, was einen totalitären Staat auszeichnet: Andersgläubige werden verjagt, ethnische Minderheiten (vor allem die Krimtataren und ethnischen Ukrainer) unterdrückt, Homosexuellen öffentlich zur unerwünschten Gruppe erklärt. Russland sucht nach Legitimierung des Landraubs und der "Sowjetisierung". Manche (gelegentlich sogar gutmeinende) Politiker im Westen sind bereit, dies hinzunehmen, weil es ihnen vor allem "um die Menschen" gehe.

Der Ukraine geht es auch um die Menschen. Die verbrecherischen Entscheidungen des Kreml aus dem Jahr 2014 haben viel menschliches Leiden verursacht. Und die internationale Isolation der Krim ist nicht der größte Teil dieses Leids. Nehmen wir als Beispiel das Schicksal von Reshat Ametov - einem 39-Jährigen, der am 3. März 2014 den Mut fand, gegen die Okkupation zu protestieren. 15 Minuten lang stand er alleine im Zentrum von Simferopol und hielt vor sich ein kleines Stück Papier, auf dem Stand: "Nein zur Okkupation!" Dann wurde er von den Besatzern verhaftet. Zwei Wochen später fand man ihn, Vater von drei Kleinkindern, inmitten eines Feldes - zu Tode gequält. Offizielle Todesursache: Schuss in ein Auge.

Nicht nur das Völkerrecht, sondern auch die Erinnerung an Reshat Ametov und alle anderen während der "gewaltlosen Übernahme der Krim" spurlos vermissten Ukrainer - das alles steht hinter dem Gesetz, das die Nationalratsabgeordnete Belakowitsch-Jenewein leichten Herzens brechen will. Diese Erinnerung wird uns Ukrainern niemals erlauben, sich mit dem hinterhältigen, undenkbaren, nicht provozierten Gewaltakt Russlands auf der ukrainischen Krim im Frühling 2014 abzufinden. Ich hoffe, Europa wird uns dabei auch weiterhin beistehen.