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Drei Herkules-Aufgaben für Emmanuel Macron

Von Ulrike Guérot

Gastkommentare
Ulrike Guérot ist Gründerin und Direktorin der Denkfabrik "European Democracy Lab" an der European School of Governance in Berlin. Seit Frühjahr 2016 leitet sie das Department für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems.

Der neue französische Präsident muss die Linke einen, einen Neustart bei der Europa-Politik schaffen und die Wirtschaftspolitik reformieren.


Emmanuel Macron hat eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg. Dieser Wahlsieg, um das vorab zu sagen, ist großartig. Mit 65 Prozent hat Macron noch um 3 Prozentpunkte mehr als in einer Blitzumfrage nach dem ersten Wahlgang, wobei er aber zwischenzeitlich auch unter 60 Prozent rutschte, als die Wahlenthaltung eines beträchtlichen Teils der französischen Linken, insbesondere der Wähler Jean-Luc Mélenchons, das große Wahlkampfthema - und das letzte Risiko für eine mögliche Überraschung - wurde. Nach Österreich und den Niederlanden ist es jetzt im dritten europäischen Land in Folge gelungen, den Vormarsch der Rechtspopulistischen zu stoppen. Nach Donald Trump und dem Brexit reicht es den Europäern erst einmal: Gut so! Doch es gibt einen Schatten, und das ist die Bürde, die jetzt auf Macrons Schultern liegt. Denn die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als beim ersten Wahlgang. 25 Prozent haben nicht gewählt. Und natürlich sind das die fehlenden Stimmen - Enthaltungen, Weißwähler - auf der linken Seite, um die Macron jetzt bei den Parlamentswahlen wird werben müssen. In sechs Wochen wird man sehen, ober auch in der Assemblée Nationale eine Mehrheit bekommt oder in einer Cohabitation mit einem Premierminister der Republikaner oder möglicherweise auch einem Zentristen regieren muss.

Es bleibt also spannend. Wie auch immer die Regierungsverhältnisse sein werden, schon heute liegen drei Herkules-Aufgaben vor dem künftigen Präsidenten: die Einigung beziehungsweise Versöhnung - wenn überhaupt möglich - der französischen Linken, ein Neustart in der Europa-Politik und die Reform der französischen Wirtschaftspolitik. Nicht nur hängen die drei Aufgaben eng zusammen; sie bedingen förmlich einander. Aber es kann gut sein, dass die drei Aufgaben für Macron zum Bermuda-Dreieck werden.

Die Linke wird eine soziale Agenda einfordern, aber eine dringend notwendige Reform der Eurozone wird von deutscher Seite wahrscheinlich nur dann konzediert werden, wenn Frankreich zuvor liberale Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsreformen durchführt, die wiederum das soziale Begehren der Linken eher herausfordern als befrieden werden.

Kann Macron alle Anliegen zeitgleich angehen oder gibt es einen Zielkonflikt? Vor allem aber: Wie weit hängt er für Lösungen von Deutschland und mithin von der nächsten deutschen Regierung ab? Denn es geht zentral darum, dass konstruktive französische Vorschläge zur demokratischen Reform der Eurozone positiv beantwortet werden. Der "Traité pour la Démocratisation de l’Europe", den ein französisches Autorenkolleg vorgelegt hat und den sich Macron in weiten Teilen zu eigen gemacht hat, fordert eine Neubegründung der Legitimität der Eurozone durch eine Parlamentarische Versammlung. Wird Deutschland darauf eingehen? Welche Bedingungen wird es stellen? Das dürfte über Macrons Erfolg oder Nichterfolg entschieden.

Derweil hat Marine Le Pen, wie in ihrer Rede nach Bekanntgabe des Ergebnisses angedeutet, offensichtlich große Ambitionen, die ebenfalls zersplitterte Rechte um sich in einer neuen Bewegung zu sammeln.