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"Hier geht etwas vor"

Von David Ignatius

Gastkommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Das Weiße Haus unter Druck: Trump verhält sich in der Russland-Affäre seltsamerweise noch immer so, als hätte er etwas zu verbergen.


Rätselhaft am Fall des ehemaligen nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn ist, warum US-Präsident Donald Trump nicht schneller auf Warnungen zu Flynns Russland-Verbindungen reagiert hat. Warum hat Trump nicht auf Ex-Präsident Barack Obama gehört? Warum ließ er achtzehn Tage verstreichen, nachdem er von der damaligen Justizministerin Sally Yates gewarnt wurde, Flynn könnte erpresst werden?

Es sieht so aus, als hätte Trump nicht gehandelt, weil er bereits von Flynns Gespräch über Sanktionen mit dem russischen Botschafter Sergey Kislyak vom 29. Dezember wusste und auch, dass Flynn deswegen gelogen hatte. Das Gespräch, das stattfand, während die USA Sanktionen gegen Russland für die Hackerangriffe im Wahlkampf verhängten, dürfte eine Verletzung des Logan Acts sein, der jede Einmischung in Konfrontationen mit anderen Staaten verbietet. Als "problematisches" Verhalten bezeichnete das Yates am Montag im Kongress. Trump hätte Ende Dezember erklären können, Flynn habe mit dem russischen Botschafter gesprochen, um Vergeltungsmaßnahmen für die Sanktionen abzuwenden. Aber Trump hat sich bei diesem Thema von Anfang an verschanzt - ein seltsames Verhalten. Vielleicht hat Trump in der Russland-Affäre gar nichts Unrechtes getan. Nur warum verhält er sich dann so defensiv? Flynn des Amts zu entheben, schob Trump vor sich her. Flynn habe nichts Falsches getan, meinte Trump sogar noch, als Flynn endlich gehen musste, und forderte Immunität für ihn.

Im Buch "Spy the Lie" von Ex-Geheimdienstoffizieren geht es um Verhalten und Linguistik, die auf betrügerische Absichten hinweisen. Auf Trumps Reaktionen zu Russlands Einmischung in die US-Politik treffen viele dieser Feststellungen zu. Auf der Spy-the-Lie-Liste stehen Phrasen wir "unangemessene Frage", "widersprüchliche Behauptung" und "selektives Gedächtnis" sowie verdächtige Ausdrücken wie "ganz ehrlich", "ganz aufrichtig", "offen gestanden". Wer unschuldig ist, so das Fazit, beantwortet Fragen einfach und direkt, nicht mit Phrasen wie "um die Wahrheit zu sagen".

"Die Wahrheit fürchtet keine Fragen", heißt es in dem Buch. Und die Autoren zitieren einen Brief von Thomas Jefferson aus dem Jahr 1785 an seinen Neffen: "Wer einmal lügt, dem fällt es nicht schwer, es ein zweites und ein drittes Mal zu tun. Bis es zur Gewohnheit wird."

Im Untersuchungsausschuss zu Russland geht es um die Sondierung eines bedeutenden Spionageabwehrfalls. Falls FBI und Justizministerium nicht versucht haben aufzuklären, ob zwischen Russlands verdeckten Aktionen und Trumps Wahlkampf Verbindungen bestehen, wäre das eine drastische Verletzung ihrer Pflichten.

Senator Sheldon Whitehouse, Demokrat aus Rhode Island und Co-Vorsitzender der Anhörung vom Montag, fasst das Trump-Puzzle so zusammen: "Präsident Trump nannte Flynn ,a fine person‘, Flynn tue nur seine Arbeit. Das mag schlicht ein Hinweis auf ein schlecht vorbereitetes Weißes Haus sein, das sich im Chaos befindet. Es erklärt aber nicht Trumps verbissene Verteidigung Flynns. Hier geht etwas vor. Und der Kongress muss herausfinden, was es ist."

Übersetzung: Hilde Weiss