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Österreichs Klimaschutz liegt auf Eis

Von Sigrid Stagl

Gastkommentare

Österreich hat sich vom Umweltmusterland zum Klimaschutznachzügler Europas gewandelt.


US-Präsident Donald Trump leugnet, dass der Klimawandel menschengemacht ist, und sorgt sich vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wirtschaftsstandort USA. Sein Vorhaben, aus dem Klimaabkommen auszusteigen, ist drastisch. Er ignoriert wissenschaftliche Evidenz in Bezug auf den Klimawandel, die in den vergangenen 50 Jahren erarbeitet wurde. Sein Standpunkt wirkt für Europäer ungewohnt und absurd. Doch implizites Leugnen des Klimawandels ist auch bei uns weit verbreitet. Dazu gehört es, Sonntagsreden zum Klimaschutz zu schwingen, dann aber kaum konkrete Taten folgen zu lassen und immer die gleichen Ausreden parat zu haben; internationale Verträge zu unterzeichnen, aber dann kaum verbindliche nationale Regulierungen zu verabschieden.

Ich interpretiere die Debatte über die Staatszielbestimmung Standortpolitik ebenfalls als Versuch, den Klimaschutz auszuhebeln. Durch die Symbolwirkung einer Staatszieländerung soll die Vorgehensweise fortgesetzt und festgeschrieben werden, den Klimaschutz in den Präambeln zu erwähnen, dann aber in Maßnahmen und Strategien zu ignorieren. Der Denkfehler dabei ist, Wettbewerbsfähigkeit und Standortpolitik unter gegebenen Bedingungen in die Zukunft zu extrapolieren. Das kann sich als teurer Fehler herausstellen, wenn wirtschaftlich falsch geplant wird. Wettbewerbsfähigkeit und Standort müssen dynamisch gedacht werden, um absehbare Änderungen in Risikoabschätzungen und Investitionsentscheidungen rechtzeitig berücksichtigen zu können. Wie Forscher des Klimafondsprojekts COIN vorrechnen, betragen die Folgekosten des Klimawandels jährlich Milliarden, Tendenz steigend. Je später notwendige Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden, desto teurer wird es.

Österreichs Klima- und Energiestrategie liegt auf Eis. Derzeit sind keine Emissionsziele über 2020 hinaus festgeschrieben. Es gibt keine Zielpfade bis 2030 und 2050, auf die sich die Wirtschaft verlassen könnte. Österreich hat sich vom Umweltmusterland zum Klimaschutznachzügler Europas gewandelt. Es ist höchste Zeit für zukunftsfähige Wirtschaftspolitik. Stattdessen wird über den symbolischen Akt der Abschwächung der Staatszielbestimmung Umweltschutz diskutiert. Eine Bestimmung aus dem Jahr 1984 ist plötzlich zu radikal, weil sie als Basis für einen Gerichtsentscheid herangezogen wurde.

Mehrere Verfassungsrechtler argumentieren, ein Ausweiten der Staatsziele (wie von ÖVP und SPÖ vorgeschlagen) wäre nicht hilfreich, weil dies mehr Rechtsunsicherheit schaffen würde. Gerichte hätten weniger Anhaltspunkte in ihrer Urteilsfindung. Wirtschaftliche Tätigkeit ist schon jetzt via Eigentumsschutz und Erwerbsfreiheit grundrechtlich gut geschützt. Auch bei der Entscheidung zur dritten Piste am Wiener Flughafen wurden ökonomische Interessen in die Abwägung einbezogen.

Es gibt also gar keine Notwendigkeit die Staatsziele zu ändern, außer man will ein Zeichen gegen den Klimaschutz setzen. Damit begäbe sich Österreich in schlechte Gesellschaft. Zumal die Umsetzung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung noch nicht systematisch evaluiert wurde, obwohl die Regierung sich dazu verpflichtet hat. Deutschland, Frankreich oder Finnland sind da viel weiter. An wem orientiert sich Österreich? An den Europas Klimaschutzvorreitern oder an Trump-Country?

Sigrid Stagl ist Professorin für Umweltökonomie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien und leitet das Institute for Ecological Economics.