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Das Brexit-Bermudadreieck

Von Melanie Sully

Gastkommentare
Melanie Sully ist gebürtige Britin, Politologin und leitet das in Wien ansässigen Instituts für Go-Governance.

Die Regierungsbeteiligung der nordirischen DUP im Angesicht der Verhandlungen mit der EU hat das Machtgleichgewicht dramatisch verändert.


Das Ergebnis der britischen Parlamentswahlen und der allmähliche Wechsel zu einem "weichen" Brexit könnten dabei helfen, das Vereinigte Königreich zusammenzuhalten. Dies wäre schmackhafter für Schottland, dem ein möglicher Zugang zum EU-Binnenmarkt gesichert würde, und könnte auch Nordirlands Belange miteinschließen. Ob sich die EU darauf einlässt und zu welchem Preis, ist jedoch die große Unbekannte, insbesondere nachdem EU-Ratspräsident Donald Tusk schon im Vorjahr klargestellt hat: "Harter Brexit oder kein Brexit."

Der Brexit war im Wahlkampf kaum präsent, beherrscht nun aber wieder die politische Tagesordnung. Das Wahlprogramm der Labour Party beinhaltete diesbezüglich sogar weniger Details als jenes der Konservativen. Allerdings lehnte Labour Theresa Mays Plattitüde "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal" ab. Dies legt den Schluss nahe, dass die Briten in Zukunft verzweifelt genug sein werden, alles zu akzeptieren - ein gefährlicher Ausgangspunkt bei Verhandlungen.

Die derzeitige Position der EU beruht auf einem Dreieck: ein Deal über den Status von EU-Bürgern, die Brexit-Rechnung und eine Lösung für Nordirland. Labour hatte versprochen, im Falle eines Wahlsiegs am ersten Arbeitstag der neuen Regierung den Status der EU-Bürger zu garantieren. Aber wann wäre der Stichtag gewesen? Am Tag des Austritts aus der EU, am Tag, an dem Artikel 50 eingeleitet wurde, oder am Tag des Referendums? Würde er lebenslange Garantien samt Pensionsansprüchen und Arbeitlosengeld für diese Bürger und deren Familienmitglieder umfassen? Wie hoch soll die Brexit-Rechnung ausfallen? Labour wollte keine Zahl nennen. Nicht zu vergessen die leidige Irland-Frage, die im 19. Jahrhundert ungelöst blieb und nun erneut die englische Elite in ihren Grundfesten erschüttert.

Die protestantische Democratic Unionist Party (DUP) wird in Belfast und in London die Macht teilen und dabei eine konservative Regierung unterstützen. Dies hat das prekäre Machtgleichgewicht dramatisch verändert. London war in Nordirland nie ein "ehrlicher Makler". Es war und bleibt ein Symbol des alten imperialen Establishments. Mit der Einbeziehung der DUP wird das Gleichgewicht sogar noch asymmetrischer. Wer könnte nun den "ehrlichen Makler" spielen? Die EU vielleicht - aber sie ist auch an den Brexit-Verhandlungen mit London beteiligt und wohl kaum neutral:
Sie vertritt die Interessen der EU-27 inklusive der Republik Irland, die auch eine instabile Minderheitsregierung hat. Die USA spielten in der Vergangenheit eine positive Rolle, doch die aktuelle Administration im Weißen Haus sorgt für Skepsis.

Labour schlug den Brexit bei der Wahl aus dem Ring, indem sie das Ergebnis des Referendums akzeptierte und bestätigte, dass der freie Personenverkehr zu Ende gehe. Die Immigration würde "etwas zurückgehen", sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn, ohne seine Karten aufzudecken. Labour hat einen Sieg ohne Verantwortung errungen. Und nun warten EU-Bürger auf ihr Schicksal; was der Brexit die Briten kostet, ist unklar; und der Friede in Nordirland steht auf dem Prüfstand. Am Anfang der Verhandlungen mit der EU steht das Brexit-Bermudadreieck.