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Die Ukraine braucht bei Reformen internationale Unterstützung

Von Boris Johnson und Pawlo Klimkin

Gastkommentare

In den vergangenen drei Jahren wurden größere Fortschritte erzielt als in den 23 Jahren vor der Maidan-Revolution.


Ein Denkmal im Zentrum von Kiew erinnert an die "Himmlischen Hundert", die auf dem Höhepunkt der ukrainischen "Revolution der Würde" ihr Leben geopfert haben, damit das Land eine europäische statt einer russischen Zukunft haben würde. Sie wurden auf dem Unabhängigkeitsplatz, besser bekannt unter dem Namen Maidan, von Scharfschützen erschossen, als das alte Regime mit allen Mitteln versuchte, die Revolution niederzuschlagen.

Seit jenen stürmischen Tagen 2014 versucht die neue Regierung der Ukraine mit Unterstützung Deutschlands, Großbritanniens und anderer Verbündeter dafür zu sorgen, dass ihr Opfer nicht vergebens war. Unser gemeinsames Ziel ist der Aufbau einer erfolgreichen und florierenden Ukraine, die sich des Mutes und der Ideale derer, die sich an der Revolution beteiligt haben, würdig zeigt.

Die Regierung von Präsident Petro Poroschenko hat die ambitioniertesten Reformen seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 durchgeführt. In den vergangenen drei Jahren wurden größere Fortschritte erzielt als in den 23 Jahren vor der Maidan-Revolution. Heute sind alle Abgeordneten und Staatsbediensteten in der Ukraine - insgesamt mehr als eine Million - verpflichtet, eine für jedermann einsehbare elektronische Vermögens- und Einkommenserklärung abzugeben. Diese neue Vorschrift ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und zur Bekämpfung der Korruption. Großbritannien hat auch bei der Einrichtung eines immer effektiver arbeitenden Nationalen Antikorruptionsbüros in Kiew geholfen. Außerdem wurde das elektronisches Beschaffungssystem "ProZorro" entworfen, das der Bestechung in Ministerien und anderen staatlichen Behörden ein Ende bereiten soll.

Mehr Einfluss für Bürger

Unterdessen hat die Zentralregierung ein Programm zur stufenweisen Dezentralisierung eingeleitet, das den Bürgern mehr Einflussmöglichkeiten geben soll, indem es mehr Zuständigkeiten und Gelder auf die lokale Ebene verlagert. Auch im Energie- und Bankensektor und in der Wirtschaft insgesamt haben die Behörden dringend benötigte Reformen vorangetrieben. Und allmählich zeigen sich erste Erfolge. Nach zwei Jahren, in denen die Wirtschaft um 5 Prozent schrumpfte, konnte im verganenen Jahr ein Wachstum von 2,3 Prozent verbucht werden - und für heuer werden sogar 3 Prozent vorhergesagt. Das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU wird heuer endlich in Kraft treten. Die Weigerung der früheren Regierung, dieses Abkommen 2013 zu unterzeichnen, löste die Revolution überhaupt erst aus. Die Ukrainer können nun auch visumfrei innerhalb des Schengen-Raums reisen.

Es muss aber noch viel mehr getan werden. Die Korruption ist noch wirksamer zu bekämpfen - sie wird niemals restlos beseitigt sein, solange die Ukraine nicht über eine vertrauenswürdige Justiz verfügt. Eine Verwaltung ohne Korruption kann es nur in einem Rechtsstaat geben. Die Nutznießer des alten Systems werden ihre Privilegien sicher mit Zähnen und Klauen verteidigen. Um ein wohlhabendes und stabiles Land aufzubauen, sind daher eine resolute Führung in Kiew sowie stete Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erforderlich.

Deswegen ist die Ukraine-Reformkonferenz so wichtig, die wir am 6. Juli in London mitveranstalten. Großbritannien wird sich für die Stärkung der externen Unterstützung einsetzen, im Gegenzug zu rascheren Fortschritten bei den Reformen. Diese Konferenz wird die internationale Gemeinschaft und führende Politiker aus der Ukraine zusammenbringen, um den Reformplan der Regierung für die Zeit bis 2020 zu unterstützen. Großbritannien gehört zu den engsten Verbündeten der Ukraine und leistet nach besten Kräften Hilfe bei der Umsetzung von Reformen und der Bekämpfung der Korruption. Die britische militärische Ausbildungsmission "Operation Orbital" soll die ukrainischen Streitkräfte stärker machen.

Immenses Potenzial

Es geht auch ums Prinzip. Die Sicherheit jeder Nation ist letztlich davon abhängig, dass kein Land mit Gewalt Gebiete einnehmen oder Grenzen verschieben darf. Russlands illegaler Versuch einer Annexion der Krim - und die Stationierung von Truppen und schweren Waffen im Donbass in der Ostukraine - waren Verstöße gegen die oberste Regel der internationalen Ordnung. Der Konflikt in der Ukraine hat bisher 10.000 Todesopfer gefordert; 24.000 Menschen wurden verletzt und mehr als zwei Millionen vertrieben. Russlands Aggression gegen die Ukraine bedroht heute die Sicherheit von ganz Europa.

Dennoch sind die Voraussetzungen für unser weiteres Bemühen um Reformen und Fortschritte ermutigend. Mit 44 Millionen Einwohnern und einem Reichtum an natürlichen Ressourcen hat die Ukraine ein immenses Potenzial. Es gibt keinen Grund, warum die Ukrainer nicht den gleichen Wohlstand und die gleiche Lebensqualität genießen sollten wie ihre europäischen Nachbarn.

Angesichts dieser Herausforderung müssen wir zusammenstehen. Die Ukraine-Reformkonferenz wird ein Signal aussenden - ein Signal der Solidarität, der Entschlossenheit und eines rückhaltlosen Bekenntnisses zur Fortsetzung des Reformkurses.