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Je globalisierter, desto besser

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Nicht die Globalisierung ist schuld daran, dass noch immer Millionen Kinder verhungern, sondern ein Mangel an Globalisierung in Teilen der Welt.


Wenn diesen Freitag und Samstag in Hamburg die Staatschefs der 20 wichtigsten Industriestaaten zum G20-Gipfel zusammenkommen, wird auch der bekannte Schweizer Politaktivist Jean Ziegler (83) wieder einmal vor Ort an der Seite gewaltbereiter Randalierer zum Kampf gegen Kapitalismus, Globalisierung und das Finanzkapital aufrufen.

Die zentrale Botschaft des Hasspredigers aus Genf - er hat in Österreich öffentlich dazu aufgerufen, "Spekulanten" aufzuhängen - ist seit Jahr und Tag immer die gleiche: "Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren", trommelt er, und dies sei glatter Mord im Gefolge der Globalisierung, des Neoliberalismus, der Gier "der Oligarchen" und aller verwandten Bösewichte.

Es ist dies eine Botschaft, die angesichts ihrer Simplizität geradezu viral geworden ist. Keine Berichterstattung über den G20-Gipfel, in der nicht irgendwo diese Botschaft vorkommt. Auch der "Spiegel" hat seine aktuelle Titelgeschichte damit begonnen.

Nun ist es gewiss ein völlig unbestreitbarer Mega-Skandal, wenn im dritten Jahrtausend noch dermaßen viele Kinder verhungern. Was Ziegler und seine Mitbrandstifter jedoch regelmäßig unterschlagen: Als Argument gegen die Globalisierung ist das nicht nur untauglich, sondern ganz umgekehrt ein Grund, diese Globalisierung möglichst schnell möglichst weit voranzutreiben. Denn wo verhungern heute noch Kinder in großer Zahl? Nahezu ausschließlich in jenen Staaten der Welt, die von der Globalisierung noch weitgehend abgekoppelt sind - also im Wesentlichen große Teile Schwarzafrikas.

Wo immer hingegen die Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten arme Staaten eingebunden hat, ist dort der massenhafte Hungertod von Kindern relativ schnell verschwunden oder zumindest dramatisch reduziert worden. Etwa in den früher bitterarmen asiatischen Staaten China, Vietnam, Laos oder Kambodscha und auch in großen Teilen Indiens und Pakistans.

Überall dort ist mehr oder weniger das Gleiche geschehen: Indem sich die Staaten dem Welthandel geöffnet haben, sind dank niedriger Löhne ausländische Investitionen ins Land geflossen und haben Jobs geschaffen und die Armut zurückgedrängt. Mit der Folge, dass 1990 noch 35 Prozent der Weltbevölkerung unter dem Existenzminimum von 2 Dollar pro Tag lagen, während es 2013 nur noch 11 Prozent waren - eindeutig ein Erfolg der Globalisierung.

Nur dort, wo kleptokratische politische Eliten dies bisher verhindern, um die eigene Bereicherung nicht zu behindern, verharren die jeweiligen Staaten in jenem Elend, das hungernde Kinder zur Folge hat.

Dies ist freilich keine Folge der Globalisierung, sondern ganz im Gegenteil ein Problem mangelnder Globalisierung.

Ginge es Herrn Ziegler und den Hamburger Randalierern tatsächlich darum, das Schicksal der Ärmsten dieser Welt zum Besseren zu wenden, müssten sie ihren Furor nicht gegen vermeintliche Bösewichte im Westen, sondern gegen die wahren Schuldigen an diesem Skandal richten: nämlich die raffenden Klassen und ihre Croonies in den Kleptokratien der Dritten Welt.

Aber das kommt halt im habituell zur maßlosen Selbstbezichtigung neigenden Europa nicht so gut an.