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Die Causa Kurz

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Die desaströsen Effekte des Umgangs mit der Kindergartenstudie.


Dank dem "Falter" wissen wir: Das Außenministerium hat eine Studie zu muslimischen Kindergärten manipuliert. Diese Manipulationen, "Fälschungen" (@ Michael Häupl) sind unverantwortlich - auch, wenn es sehr wohl Verantwortliche dafür gibt. Unverantwortlich aber sind sie, weil sie einen höchst sensiblen gesellschaftlichen Bereich beschädigen. Nachhaltig. Die "Fälschungen" haben nicht weniger als drei verheerende Effekte.

Erstens ist in einer Zeit von Fake-News die heikle Grenze zwischen gefakten und seriösen Nachrichten nicht nur überschritten, sondern massiv erschüttert worden. Was macht Kurz? Er möchte mit Emotionen Politik machen, aber es soll nicht so ausschauen. Strache würde jeden Missstand mit Muslimen einfach behaupten, ohne erst Studien zu bemühen. Kurz hingegen kauft sich eine Studie, die dann "frisiert" wird (@ Falter). Es ist ja "seine". Damit wird aber der Unterschied zwischen fake und seriösen Nachrichten durchgestrichen. Hier wurde die Gattung "gefakte seriöse News", ja sogar "gefakte wissenschaftliche News" produziert. Wenn nun sogar das Gegengift gegen den Fake, wenn nun sogar die Wissenschaft mit ihrer Objektivität und Seriosität, solcherart benutzt wird - dann haben wir nichts anderes als eine Fake-isierung des gesamten öffentlichen Diskurses. Etwas, was reiner Fake alleine nicht schafft. Ein verheerender Effekt, die wissenschaftliche Seriosität - deren wir mehr denn je bedürfen - zu untergraben. Nun muss die Universität ausrücken, um diese Grenze wieder zu befestigen.

Wenn Kurz sich nun an dem Autor der Studie, Ednan Aslan, abputzt (die Studie sei "auf Punkt und Beistrich" von ihm - wobei ja gerade diese vom Ministerium sind), dann erzeugt er damit den zweiten desaströsen Effekt dieser Causa: Die Figur des muslimischen Wissenschafters wird nachhaltig in Frage gestellt. Aslan hat sich zugegebenermaßen nicht gerade geschickt verhalten mit seinen widersprüchlichen Aussagen. Aber Leute wie er sind wichtig: innerislamische Kritiker mit Bezug zur Mehrheitsgesellschaft. Das sind, das wären zentrale Player im Kampf gegen den politischen Islam und für eine Europäisierung des Islams. Das sind Leute, die sich in einer besonders schwierigen Situation befinden. Sie werden von zwei Seiten in Frage gestellt: von der Öffentlichkeit und von ihrer eigenen Community. Für diese sind sie Verräter. So wirft die Islamische Glaubensgemeinschaft Aslan Rufschädigung und bedenkliches Verhalten vor.

Aslan mag Fehler gemacht haben, aber der Umgang des Ministeriums mit seiner Studie und das Abputzen des Ministers am Autor haben einen langzeitig desaströsen Effekt: Es wird jetzt noch schwerer sein, solche Leute zu gewinnen. Denn wer will sich solchem aussetzen?

Der dritte schädliche Effekt der Causa Kurz aber ist es, das sensible Verhältnis von realen Problemen und Vorurteilen, zwei unterschiedliche Dinge, in einen unentwirrbaren Teufelskreis zu stürzen. Die Situation war ohnehin schon kompliziert genug. Kurz gibt vor, reale Probleme zu benennen (von denen wir immer noch nicht wissen, wie real und wie problematisch sie sind). Aber derart gefakt dienen sie nur dazu, Vorurteile zu befördern.