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Bedingungsloses Grundeinkommen

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Ein Glücksversprechen, das an unseren tiefsten Überzeugungen rüttelt.


Es war ein bemerkenswerter Vorstoß des Kulturministers - jener für das Pilotprojekt eines bedingungslosen Grundeinkommens. BGE bedeutet: Geld ohne Gegenleistung. Ohne Prüfung der Bedürftigkeit. Ohne Forderungen. Bedingungslos eben. Man solle das, so Drozda, an einem kleinen Personenkreis über zwei Jahre lang ausprobieren und evaluieren. Ein Experiment am lebenden Objekt also, denn die Auswirkungen sind nicht vorhersehbar. Die größte Unwägbarkeit ist dabei der psychologische Effekt: Wie reagieren die Leute darauf?

Und obwohl in dem Konzept "Geld ohne Gegenleistung" ein Freiheits- und ein Gerechtigkeitsversprechen liegt, obwohl es die Voraussetzung für ein glückliches Leben für alle schafft - gab es dennoch bislang noch keine breite Zustimmung dafür. Warum eigentlich?

Wenn man die Gründe für die Ablehnung anschaut (und die Frage der Finanzierbarkeit, die einer ökonomischen Lösung bedarf, beiseite lässt), dann fällt auf: Alle warnen vor dem, wovor sie sonst auch immer warnen. Die Rechten warnen vor Migrantenströmen. Die Gewerkschaften sehen darin eine Stillstellungsprämie, die die Arbeit entwertet. Die Konservativen meinen, der Anreiz zum Arbeiten würde wegfallen - wobei Anreiz das freundliche Wort für Zwang ist. Ein Denkfehler, so dm-Gründer Götz Werner, denn: "Im Leben braucht man nicht Druck, sondern Sog."

Der zentrale Vorbehalt aber ist jener des "gesunden Menschenverstands", der zugleich zeigt, wie tief diese Veränderung geht: Hier würde das Nichtstun bezahlt. Die Nichtstuer würden auf unsere Kosten in der Hängematte liegen. Nur Geld abholen wäre ein verstetigtes Unglück. All diese Varianten des Sozialschmarotzer-Arguments zeugen von einer tief verwurzelten Überzeugung in unserer Gesellschaft. Eine Überzeugung aber, die sich gegen den Einspruch der Realität am Leben hält, ist ein Glaube. Wir glauben an die Arbeit - auch wenn Digitalisierung und Robotisierung deren Stellenwert rapide verändern. Wir glauben an die Arbeit - auch wenn Vollbeschäftigung längst eine unwiederbringliche Illusion geworden ist. Wir haben ein unerschütterliches - weil jahrhundertelang einsozialisiertes - Arbeitsethos. Denn Arbeit versorgt uns, weit über das Materielle hinaus, mit einer wesentlichen gesellschaftlichen Währung: mit Anerkennung.

Wobei wir nicht an jede Arbeit glauben (denn dann hätten unbezahlte Tätigkeiten, wie etwa Reproduktionsarbeit, denselben Stellenwert). Nein, es handelt sich vielmehr um den gesellschaftlichen Glauben ans meritokratische Prinzip. Wir glauben an jenes Prinzip, wonach Leistung und Verdienst übereinstimmen. Wir halten mit Zähnen und Klauen an dieser Vorstellung eines tatsächlichen Tausches fest.

Auch wenn diese Gleichung längst nicht mehr stimmt. Längst ist es nicht mehr die Leistung, die bestimmt, was uns zukommt. Man denke etwa an die astronomischen Boni von Bankern oder Managern, die in keiner Relation zu einer Leistung stehen. Die Meritokratie ist eine Illusion. Und es ist diese Illusion, die das BGE angreift. Insofern wäre das BGE eine Revolution: Es würde die Gesellschaft auf eine neue Grundlage stellen. Es wäre nicht weniger als ein neuer Gesellschaftsvertrag.