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Noch einmal: Pro Wohnungsgemeinnützigkeit

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Lehr beauftragter und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozial politische Themen spezialisiert.

Die Privatisierung im öffentlichen Sektor gelingt nur einmal.


Das Gemeinnützigkeitsprinzip begegnet uns in vielen Bereichen, wo der Staat Aufgaben und Leistungen, die im allgemeinen Interesse liegen, nicht selbst übernimmt oder erbringt, sondern dies Dritte tun. Dafür erhalten diese einen Ausgleich bis hin zur Steuerbefreiung, zum Beispiel bei gemeinnützigen Vereinen, oder staatliche Zuschüsse. Dabei vertraut der Staat auf die Expertise und Qualität des Angebots und überprüft die eingeräumten Vorteile auf ihren Fortbestand.

Der in den vergangenen Tagen wieder aufgekommene Vorschlag, die gemeinnützigen Bauvereinigungen für das Kapital externer Investoren zu öffnen, stimmt sorgenvoll, was die Akzeptanz der erbrachten Leistungen der Gemeinnützigen und ihren Fortbestand angeht. Von den 186 gemeinnützigen Bauvereinigungen (2016) im Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen - Revisionsverband (GBV) sind mehr als die Hälfte als Genossenschaften (98) organisiert, zehn firmieren als Aktiengesellschaft und 78 als Gesellschaften m.b.H. Insgesamt werden über 880.000 Wohnungen verwaltet. Die Genossenschaften zählen mehr als 510.000 Mitglieder.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Wohnungsgemeinnützigkeit 1990 aufgehoben wurde, besteht sie in Österreich fort. Hier ist sie in der Phase einer verwobenen Geschichte mit Deutschland übernommen und bis heute im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) beibehalten worden. Sie gilt - insbesondere im Hinblick auf osteuropäische Staaten und durch die rechtlichen Anpassungen an die österreichischen Vorstellungen und Erfordernisse - als ein "europäisches Erfolgsmodell". In der Wohnungswirtschaft hat es immer wieder Rendite-orientierte Veränderungen gegeben, so den Verkauf von öffentlichen Wohnungsbauunternehmen. Manche sind, wie die Gagfah (2006) in Deutschland oder die Buwog (2014) in Österreich, heute sogar börsennotiert.

Externe Investoren haben weitreichende und zur Gemeinnützigkeit gegenläufige Ertragserwartungen. Handelt es sich bei den jetzt betonten Öffnungswünschen um Signale, nicht nur die Wohnungsgemeinnützigkeit in Frage zu stellen, sondern auch perspektivisch den kommunalen Wohnbau - angesichts knapper staatlicher Budgets - zu privatisieren und damit zu "versilbern"? Doch, es sei auch hier betont, die Privatisierung im öffentlichen Sektor gelingt nur einmal. Es gibt viele Beispiele, wo die Kommunen diesen Schritt zutiefst bereut haben, als die Bürgerinnen und Bürger deutlich höhere Preise zum Beispiel bei der Wasserver- und -entsorgung zu entrichten hatten.

Aus Sicht der Investoren verständlich, ihr Engagement muss sich "rechnen". Aber auch jede/r von uns lebt von den Erträgen der Investoren, wenn sie, wie Versicherungen oder Pensionskassen, attraktive Leistungen für ihre Kunden erwirtschaften müssen. Darum sei der Diskussion ein genossenschaftliches Prinzip gewünscht: "Verbindet die Teile/Beiträge der Einzelnen so, dass alle etwas mehr haben, ohne ihnen etwas wegzunehmen." Im Falle der Gemeinnützigen könnte dies zum Beispiel bedeuten, nach Möglichkeiten eines stärkeren Mieter-/Nutzer-/
Mitglieder-Engagements zu suchen und damit Betroffene zu Beteiligten zu machen.