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Humanitäre Hilfe - der Unterschied zwischen Theorie und Praxis

Von Ruth Schöffl

Gastkommentare
Ruth Schöffl leitet leitet die Öffentlichkeitsarbeit des UNHCR in Österreich, davor war sie im NGO-Bereich tätig, mit Auslandseinsätzen in Haiti und im Tschad. Foto: UNHCR/Wolfgang Voglhuber

Replik auf den Gastkommentar von Wolfgang Glass vom 11. August.


Wolfgang Glass hat recht: Auch bei der humanitären Hilfe und bei der Nothilfe passieren Fehler und, wie Sie formulieren, nicht alles, was gut gemeint ist, ist gut gemacht. Allerdings möchten wir diese Diskussion gern mit allen auf dem Tisch liegenden Informationen führen - und im Gastkommentar fehlen mir einige entscheidende Punkte, ohne die gewisse Zusammenhänge verzerrt erscheinen. Die wichtigsten Punkte möchte ich hier kurz anführen.

Als Hilfsorganisation agieren wir nicht solitär, sondern bewegen uns in komplexen Zusammenhängen. Seit Jahren versuchen wir als UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR genauso wie viele andere Hilfsorganisationen - ob lokal, national oder international - den Menschen, die wie unterstützen, ein Stück Selbständigkeit zurückzugeben. Das bedeutet vereinfacht gesagt, weg vom Gießkannenprinzip hin zur Hilfe in die Eigenständigkeit.

Allerdings ist das in vielen Ländern, in denen wir agieren, nur teilweise möglich: In vielen Gebieten, besonders in jenen, die Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben - wie zum Beispiel im erwähnten Jordanien -, dürfen Flüchtlinge nicht oder nur extrem eingeschränkt arbeiten. Eine (leider aufgrund der chronischen Unterfinanzierung) minimale Unterstützung der Hilfsorganisationen und leider häufig auch Schwarzarbeit halten Millionen Menschen mehr schlecht als recht am Leben. Mehr Eigenständigkeit der Flüchtlinge würde zudem nicht nur entscheidend das Leben der Menschen verbessern, sondern auch unsere finanzielle Situation entspannen.

Seit vielen Jahren werden übrigens auch Menschen, die wir unterstützen, in unsere Aktivitäten eingebunden - das beginnt bei der sogenannten Bedarfserhebung bei den Flüchtlingsfamilien und reicht bis zur Mitarbeit von Flüchtlingen in den unterschiedlichsten Bereichen, zum Beispiel in Flüchtlingscamps in Schulen, bei Wasserstellen, als Pflegefamilien, Community-Projekten etc.

Zweifelsohne wäre es aber sowohl für die Flüchtlinge als auch für die Hilfsorganisationen ein entscheidender Vorteil, wenn lokale Integration in der jeweiligen Aufnahmegesellschaft ermöglicht werden könnte. Dafür bräuchte es aber nicht nur die Offenheit der Aufnahmegesellschaft, sondern auch eine verstärkte Unterstützung der Staatengemeinschaft, um etwa Flüchtlinge auf mehr Staaten zu verteilen, Ressourcen vor Ort bereitzustellen und anderes. Solange es hier zu wenig Solidarität gibt und Erstaufnahmeländer auf sich allein gestellt ihren Arbeits- und Wohnungsmarkt abschotten, müssen wir als Hilfsorganisationen einspringen, um den Menschen zumindest ein Überleben zu sichern.

Die Liste an Beispielen, wo wir unsere Arbeit an lokale, politische und finanzielle Gegebenheiten anpassen müssen und unter Einbeziehung dieser Gegebenheiten Flüchtlingen und Schutzbedürftigen helfen, ließe sich beliebig verlängern.

Auch die Kritik an der mangelnden Koordination sowie an der schlechten Zusammenarbeit von NGOs und internationalen Organisationen kann ich nur teilweise nachvollziehen. Gerade in jenen Gebieten, wo internationale Helferinnen und Helfer oder Organisationen aus Sicherheits- oder anderen Gründen nicht tätig sein können, verlassen wir uns häufig voll und ganz auf lokale Organisationen, über die der Zugang zu Hilfsbedürftigen sichergestellt werden kann und die für uns als UNHCR sehr wichtige Partner sind.

Ein abschließender Satz noch zur angesprochenen Finanzierung: Es ist richtig, dass Geld nur dort ausgegeben werden kann, wo Finanzierung vorhanden ist - das kritisieren wir seit Jahren übrigens laut und deutlich. Einen transparenten Überblick über unsere aktuelle Finanzsituation erhält man im Internet auf der Website reporting.unhcr.org.