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Der Wert von Freiwilligenarbeit

Von Eva More-Hollerweger

Gastkommentare

Freiwilligenarbeit wird häufig als Mittel zur Erlangung arbeitsmarktrelevanter Fähigkeiten gesehen. Sowohl fachliche als auch soziale Kompetenzen sollen durch freiwilliges Engagement erworben und nachgewiesen werden. Gleichzeitig wird Freiwilligenarbeit der bezahlten Beschäftigung in gewisser Weise immer ähnlicher: Von der Rekrutierung und Auswahl über Einschulung und Weiterbildung bis hin zum Tätigkeitsnachweis werden Instrumente des Managements angewendet, um zu gewährleisten, dass Freiwillige im Sinne der Organisation agieren und dabei entsprechend begleitet werden.

Das ist betriebswirtschaftlich betrachtet durchaus sinnvoll. Aber übersehen wir vielleicht etwas Wichtiges, wenn wir Freiwilligenarbeit primär aus dem Blickwinkel der Effizienz betrachten? Was macht das mit der (intrinsischen) Motivation der Freiwilligen und der bezahlten Mitarbeiter? Müssen bezahlte Mitarbeiter gar um ihre Jobs fürchten?

Freiwilligenarbeit unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von der Erwerbsarbeit. Sie erfolgt unbezahlt, also ohne monetäre Gegenleistung. Freiwillige bestreiten mit der Tätigkeit nicht ihren Lebensunterhalt. Das Einkommen fällt damit als Motivation weg, weshalb Freiwilligenarbeit oft auch mit intrinsischer Motivation in Verbindung gebracht wird. Darunter versteht man Motivation, die nicht durch äußere Anreize, wie Geld, sondern von innen kommt, also beispielsweise dem Wunsch, eine sinnvolle Tätigkeit auszuführen, anderen zu helfen, etwas zu bewegen etc.

Im Gegensatz zu bezahlter Arbeit können Freiwillige aus arbeitsrechtlichen Gründen nur sehr eingeschränkt zur Erfüllung bestimmter Tätigkeiten verpflichtet werden. Als Freizeitbeschäftigung ist Freiwilligenarbeit auf bestimmte Zeitfenster und ein bestimmtes Stundenausmaß beschränkt. Die gesetzlich geregelten Qualitätsstandards für die Leistungserbringung bedingen ein hohes Maß an Aus- und Weiterbildung, das von Freiwilligen kaum eingefordert werden kann.

Neben all den Unterschieden gibt es aber auch Ähnlichkeiten zwischen Freiwilligenarbeit und bezahlter Arbeit beziehungsweise zwischen Freiwilligen und bezahlten Mitarbeitern. Beide erfüllen Tätigkeiten für bestimmte Zielgruppen oder gesellschaftliche Anliegen. Beide sind sowohl extrinsisch als auch intrinsisch motiviert. Diese Ähnlichkeiten verleiten dazu, Vergleiche zu ziehen, und dies führt mitunter zu Konflikten in den Organisationen.

Gesellschaftliche Funktionen

Dabei ist es wichtig den Gesamtkontext, in dem Freiwilligenorganisationen agieren, zu sehen. In der Regel handelt es sich dabei um Nonprofit-Organisationen (NPOs), also private Organisationen, die nicht primär darauf ausgerichtet sind, Gewinne zu erzielen, sondern andere Zwecke verfolgen. Sie tun dies in vielen gesellschaftlichen Bereichen wie etwa im Sozial- und Gesundheitsbereich, in der Politik, im Umweltbereich, in Kunst, Kultur und Freizeit etc. NPOs erfüllen neben der Erbringung von Dienstleistungen eine Reihe von anderen gesellschaftlichen Funktionen. Sie vertreten die Interessen verschiedener - häufig sozial benachteiligter - Bevölkerungsgruppen, leisten Bewusstseinsbildung, etwa im Bereich der Umwelt oder bei sozialen Themen. Zudem unterstützen sie oft die Gemeinschaftsbildung und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Integration.

Freiwillige erfüllen dabei eine wichtige Brückenfunktion zur Gesellschaft. Durch ihr Engagement erhalten Freiwillige einen unmittelbaren Einblick in die Lebenswelten von Bevölkerungsgruppen und Themen, zu denen sie sonst vielleicht nur wenig Kontakt hätten. Das ist auch für NPOs wichtig, weil damit das Verständnis für ihre Anliegen nachhaltig erhöht wird. Außerdem bewahren sie sich dadurch eine gewisse Offenheit für gesellschaftliche Veränderungen.

Bei Einsatzorganisationen haben Freiwillige eine wichtige Reservefunktion. Bei Großereignissen, wie etwa Katastropheneinsätzen, können NPOs in kurzer Zeit auf eine große Anzahl gut ausgebildeter Einsatzkräfte zurückgreifen. Sie setzen Freiwillige also aus unterschiedlichen Gründen ein. Ein besonderes Potenzial liegt darin, eine größere Zahl von Menschen für gesellschaftliche Anliegen zu involvieren.

Bezahlte Professionalität

Durch den Einsatz bezahlter Mitarbeiter kann wiederum die erforderliche Kontinuität und Professionalität gesichert werden. Viele NPOs sind zunächst auf rein ehrenamtlicher Basis entstanden und haben im Zuge ihrer Entwicklung zunehmend auf bezahltes Personal zurückgegriffen. In den vergangenen Jahrzehnten ist es in diesem Sektor generell zum verstärkten Einsatz von Managementinstrumenten gekommen, was in der Forschungsliteratur unter den Begriffen "Managerialismus" beziehungsweise "Verbetriebswirtschaftlichung" diskutiert wird. Gerade in Bezug auf Freiwillige wird es durchaus kritisch gesehen, wenn etwa klassische Personalmanagementinstrumente auf Freiwillige übertragen werden. Dabei besteht die Gefahr, dass die Funktion der "Arbeitskraft" von Freiwilligen in den Vordergrund rückt und andere Funktionen (wie Mitbestimmung) ausgeblendet werden. Umgekehrt ändert sich auch das Verständnis von Management über die Zeit. So sind etwa Fragen der verstärkten Mitarbeiterpartizipation in gewinnorientierten Unternehmen durchaus ein Thema. Nicht nur deshalb kann es für Arbeitgeber durchaus sinnvoll sein, im Lebenslauf nach freiwilligen Engagements der Bewerber zu suchen.

Zur Autorin

Eva More-Hollerweger

ist Senior-Researcher und Bereichsleiterin der Forschungsschwerpunkte NPOs & Zivilgesellschaft am NPO & SE Kompetenzzentrum der WU Wien. WU Wien

Veranstaltungstipp

Am 5. und 6. Oktober findet am Kahlenberg in Wien die erste europäische Freiwilligen-Konferenz, die "European Conference on Volunteering" statt. Mehr dazu im Netz: www.freiwilligenweb.at