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Ein neues Modell für den Wohlfahrtsstaat

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Lehr beauftragter und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozial politische Themen spezialisiert.

Ein Gedankenspiel zu Sozialleistungen und Gemeinwohl.


Österreich hat gewählt. Eine interessante Entwicklung wäre die Gestaltung eines Wirtschafts- und Sozialministeriums. Dies könnte eine ganz neue Perspektive auch aufs Gleichgewicht zwischen staatlichen Einnahmen und Ausgaben öffnen und die schon erfolgreich eingeleitete Rückführung der Staatsverschuldung fortsetzen helfen. Nebenbei bemerkt könnte es sich auch auf die universitäre Gestaltung beziehungsweise die Zusammenarbeit von Fakultäten auswirken.

Dass Staatsschulden keineswegs trivial sind und auch Staaten handlungsfähig bleiben müssen, andernfalls sie wie ein Unternehmen ersetzt beziehungsweise übernommen werden können, belegt das Beispiel der USA. Dort haben die Schulden inzwischen unvorstellbare 20 Billionen US-Dollar erreicht, trotz gesetzlicher Obergrenze. Denn diese wird immer wieder erhöht, eine Rückführung scheint nicht in Sicht.

Eher ist das Gegenteil der Fall. Im Vertrauen auf die Wirtschaftskraft, aber auch die Akzeptanz ihrer Währung können sich die USA international nach wie vor günstig verschulden. Die USA - das ist die soziale Gemeinschaft aller Bürger, der heutigen Steuerzahler und der künftigen Generationen.

Der Verarmung des Staates steht ein - gesamtgesellschaftlich betrachtet - großes Vermögen gegenüber, das aber stark gespreizt ist. Wird hier auf Kosten des Gemeinwohls das Individualwohl gesteigert, lebt(e) die Gemeinschaft über ihre Verhältnisse, ist das vom Staat auf Kredit mit-
finanzierte Wirtschaften nachhaltig?

Wie wäre es, wenn der Staat genossenschaftlich gemeinwohlorientiert handeln würde? Auch dann gäbe es Steuereinnahmen, nötige Ausgaben und Investitionen, aber es bliebe immer etwas übrig, weil die Träger der Genossenschaft (also des Staats) ein Interesse hätten, dass der Staat und sein Leistungsspektrum eben auch in Zukunft zur Verfügung stehen und nicht durch privatunternehmerische Aktivitäten ersetzt werden. Dafür bedarf es einer Vorsorge, der Bildung von Reserven. Die Rücklagen stehen einer Genossenschaft und nicht ihren einzelnen Mitgliedern zu. Die Staatsschulden hingegen belasten jeden Bürger.

Den Staat in dieser Weise zu begreifen, hieße, sich der eigenen finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen bewusst zu werden und nicht einzelnen, wenn auch demokratisch legitimierten Entscheidungsträgern zu erlauben, die Allgemeinheit uneinbringlich belasten zu dürfen. Noch problematischer wird es, wenn die Gemeinschaft faktisch zur Abgabe von Garantien und Zahlungsversprechen gegenüber Gläubigern gezwungen ist, wie im Zuge der Finanzkrise.

Ein schon zuvor verschuldeter Staat, in gewisser Weise ein "Bürge mit leeren Taschen" (Zitat Rechtswissenschafter Heinz Krejci) darf nicht immer noch weiter strapaziert werden, sondern gehört bewusst genossenschaftlich saniert. Dann bekommt auch der Appell "Holt Euch, was Euch zusteht" eine andere Lesart: "Vorenthaltet einander nicht, was jedem von Euch fehlt" - wohlgemerkt, ohne dem anderen etwas wegzunehmen. Ein gemeinsames Wirtschafts- und Sozialministerium könnte jedenfalls zu einer sozialeren Gestaltung unseres Wirtschaftens beitragen und die Ökonomisierung des Sozialen begrenzen.