Zum Hauptinhalt springen

Wir wissen, wir können - und wir wollen

Von Karl Pangerl und der 6B-Klasse des BG Vöcklabruck

Gastkommentare

Dimensionen der Erneuerung Europas.


Theorien verändern die Welt. Laut Stephan Schulmeister ist nach zwei Jahrzehnten neoliberaler Selbstentfremdung für Europa die Zeit gekommen, sich seiner Bestimmung zu besinnen. Diese Erneuerung vollzieht sich in drei wechselwirkenden Bereichen: vom einzelnen Menschen aus, von außen im Rahmen globaler Prozesse und von innen im Zuge institutioneller Weichenstellungen.

Der Soziologe Hermann Astleitner begreift menschliches Leben als "hyperkomplexe Mehrwelterfahrung": Jede und jeder erfüllt eine Vielzahl an Rollen - in Familie, Beruf, Gesellschaft. Zeiten des Umbruchs provozieren Verwerfungen dieses Konstrukts und verdichten sich zur menschlichen, sozialen und politischen Krise. "Für einen leidenden Menschen vergeht die Zeit nicht und er hat das Gefühl, immer in dieser Zeit gefangen zu sein", sagt dazu Elisabeth Gruber, Vorstand des Viktor-Frankl-Zentrums Wien. Eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung sollte Rollenkonflikte und aufbrechende Parallelwelten wieder in Einklang bringen. Wie aber ist eine solche bei all den inneren Widersprüchen, Fragen und Zweifeln möglich?

Viktor E. Frankl riet seinerzeit, offen zu sein für die Kostbarkeit des Augenblicks, aus dem Positiven Kraft zu schöpfen und im vermeintlich Negativen den Neuanfang zu begreifen. "Das Leben fragt uns: Was ist der Sinn? Ich entscheide mein Sein in diesem besonderen Moment, verantworte und forme mich", so Frankl. "Immer bleibt diese Freiheit des Willens! Im Grunde strebt der einmalige und einzigartige Mensch danach, in seinem Leben in der jeweiligen einmaligen und einzigartigen Situation seine persönliche Sinn-Aufforderung wahrzunehmen und zu erfüllen."

Der Schriftsteller René Freund ermuntert zu Authentizität und Wahrhaftigkeit: "Schreibt, was euch interessiert, womit ihr etwas verbindet." Das gilt nicht nur für geistige Arbeit. Sepp Wall-Strasser vom Österreichischen Gewerkschaftsbund erkennt Arbeit als "den wesentlichsten Schlüssel der gesamten sozialen Frage". In sinnerfüllter Arbeit verwirklicht sich der Mensch, bildet sich Gemeinschaft.

Globales Dorf, Klimawandel, Welthandel, Flucht und Hunger

Vier große Herausforderungen wollen angenommen sein: In einer zunehmend komplexeren und zum globalen Dorf verdichteten Welt relativieren sich Raum und Zeit. Mächtige Wissensströme überlagern reale Produktionsketten (wie es der Ökonom Kurt Bayer einmal formuliert hat) und vormals getrennte Kulturräume. Der Klimawandel verändert räumliche Strukturen und soziale Gefüge. Und der freie Welthandel hat zwar in China die Armut deutlich verringert; doch noch immer leben 700 Millionen Menschen in extremer Armut, haben 800 Millionen nicht genug zu essen, sind 65 Millionen auf der Flucht.

In diesem Spannungsfeld vollzieht sich die innere Erneuerung Europas. Um Teil gemeinsamer Lösungen sein zu können, integriert sich die EU in Abkommen wie die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung oder das Klimaschutzabkommen von Paris. Verträge formen ihre Identität, so der Lissaboner Vertrag als Bekenntnis zur Nachhaltigkeit.

Das Wirtschaftssystem bedarf im Sinne Schulmeisters einer neuen Balance von Gewissen und Vernunft, Individuum und Gemeinschaft, Realwirtschaft und Finanzmärkten, Markt und Staat. Und Demokratie erwacht wieder zu Leben: "Die Europäische Union sind wir alle. Wir alle tragen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung unserer Regionen und in der Welt", stellte jüngst der EU-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) dazu fest.

Lebendige Schule bedeutet Entfaltung von Vielfalt, in der Bildung liegt der Ursprung der Erneuerung. Die Antwort der Jugend auf ihre Zeit lautet: Wir wissen, was notwendig ist, nämlich Motivation, Vertrauen, Inspiration und Gemeinschaftssinn statt Leistungs- und Erwartungsdruck; eine ganzheitliche Förderung der Gesundheit; bewusster Konsum, naturnahe Landwirtschaft und Kultur-/Heimatpflege; erneuerbare statt fossile Energie und Atomkraft, Smart Grids, sparsamerer Stromverbrauch; sanfte Mobilität; Papier statt Plastik, Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft (wie Pfandflaschen) . . .

Wir können uns dafür entscheiden - und wir wollen es!