
Bei einem diskreten entspannten Abendessen im Wiener Eigenheim eines bekannten Entrepreneurs haben die Spitzen von SPÖ und FPÖ schon vor der Wahl unverbindlich darüber parliert, was miteinander so ginge und was nicht. Doch nicht allen schmeckt das: Weil er eine Regierung mit der FPÖ nicht ausgeschlossen hat und nun zumindest exploratorische Gespräche mit HC Strache führen will, ist SPÖ-Chef Christian Kern hart kritisiert worden. Michael Häupl spricht von der "Gefahr einer Parteispaltung", der linke Publizist Georg Hofmann-
Ostenhof gar von einer allfälligen "Katastrophe für Österreich".
Nun gibt es eine ganze Reihe valider Argumente, warum eine solche Regierungskoalition kein besonderer Segen für das Land im Allgemeinen und dessen wirtschaftliches Wohlergehen im Speziellen wäre. Freilich ändert das rein gar nichts daran, dass eine rot-baue Koalition nicht nur legal, sondern auch legitim wäre. Demokratisch ist die FPÖ nicht mehr oder weniger legitimiert als die SPÖ oder die ÖVP. Dies zu bestreiten, zeugte von einem eigentümlichen Demokratieverständnis.
Umso mehr, als diese Koalitionsvariante sowohl aus SPÖ- als auch aus FPÖ-Sicht durchaus einen gewissen Sinn macht. In einer Koalition mit den Roten würden die Blauen wesentlich effizienter vom Nazi-Geruch befreit als bei einem Pakt mit den diesbezüglich weniger nützlichen Schwarzen. Mit der SPÖ zu regieren, ist nun einmal der gewichtigere Entnazifizierungsnachweis auf der europäischen Bühne. Zudem könnte die FPÖ neben der SPÖ ihre traditionelle Markenstärke in der Sicherheitspolitik viel besser ausspielen als neben Sebastian Kurz.
Für die SPÖ wiederum machte eine Regierung mit Strache aus dem gleichen Grund Sinn: Neben den "Law&Order"-Freiheitlichen könnte sie sich hervorragend als Schutzmutter der im Leben zu kurz - wenn auch nicht zu Kurz - Gekommenen gerieren. Und, auch nicht zu verachten: An die gleich große FPÖ müsste sie weniger Ministerien, Jobs, Macht und Geld abgeben als an die nun doch schon deutlich größere ÖVP, deren Juniorpartner sie allenfalls wäre. Dazu kommt auf der atmosphärischen Ebene, dass SPÖ und FPÖ einander soziokulturell recht nahe sind. Schließlich bedienen sie sich regelmäßig aus dem gleichen Wählerreservoir, meist auf Kosten der jeweils anderen Partei.
Eine rot-blaue Allianz wäre also nicht im Geringsten wider die politische Natur, wie nun manche meinen; ganz im Gegenteil. Das zu kritisieren, ist politisch naiv. Parteien haben nun einmal Interessen, allen voran jenes zu regieren. Das kann man ihnen in einer parlamentarischen Demokratie nicht vorwerfen. Vorwerfen lassen muss sich die SPÖ aber, dass sie sich über Jahrzehnte eine Art moralischer Luftüberlegenheit angemaßt hat, begründet mit der kategorischen Weigerung, mit der FPÖ zu koalieren.
Diese moralische Überlegenheit war aber immer nur eine behauptete; die Marginalisierung der FPÖ diente vor allem - und bis Wolfgang Schüssel erfolgreich - dazu, der ÖVP jede andere Option als die des Juniorpartners abzuschneiden. Auch das ist legitim. Nur sind jene Verwerfungen, die nun die SPÖ über diese Frage peinigen, der späte Preis für jene moralische Anmaßung: eine schmerzhafte Selbstinfektion mit dem eigenen politischen Schmäh.