Zum Hauptinhalt springen

Xi Jinpings chinesischer Traum - gut für die (globale) Umwelt?

Von Irene Giner-Reichl

Gastkommentare

Im Kampf gegen den Klimawandel sitzt China laut seinem Staatspräsidenten nunmehr "auf dem Fahrersitz" der internationalen Bemühungen.


Der 19. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas hat Präsident Xi Jinping weiter gestärkt - so wie es praktisch alle China-Beobachter in und außerhalb des Landes erwartet hatten. Mit der Aufnahme von Xis Denken in den Katalog der Ecksteine der kommunistischen Partei hat der aktuelle Staatspräsident nunmehr mit Mao Zedong und Deng Xiaoping gleichgezogen. (Die Namen von Jiang Zemin und Hu Jintao wurden nicht in dieser Weise hervorgehoben.)

Was aber ist nun das Neue am Denken von Xi Jinping? Die Reden der chinesischen Führung sind in der Regel lang und verwenden eine Sprache, die uns im Westen nicht leicht anspricht. So lautete zum Beispiel das Generalthema des 19. Parteikongresses: "Unserer ursprünglichen Aspiration treu bleiben und unsere Sendung fest im Geist behalten, die Flagge des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen hochhalten, einen entscheidenden Sieg hinsichtlich des Aufbaus einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand in jeder Hinsicht erringen, für den großartigen Erfolg des Sozialismus mit chinesischen Merkmalen für ein neues Zeitalter kämpfen und unermüdlich arbeiten, um den chinesischen Traum der nationalen Verjüngung zu verwirklichen."

Sehr persönlicher Stempel

Was hinter einer derartigen Formulierung an innerparteilichen Auseinandersetzungen und Flügelkämpfen steht - die chinesische KP ist ja keineswegs monolithisch -, kann nur vermutet werden. Ein Element des Generalthemas trägt jedenfalls den sehr persönlichen Stempel Xi Jinpings: der chinesische Traum vom Wiedererstehen der großen und schönen chinesischen Nation.

Die Fortschritte bei der Wohlstandsschaffung konnten mit eindrücklichen Zahlen untermauert werden. In den vergangenen fünf Jahren, Xis Amtszeit, hat sich das chinesische Bruttonationalprodukt von umgerechnet 8 Billionen US-Dollar auf 12 Billionen (54 Billionen Renminbi auf 80 Billionen Renminbi) um das Eineinhalbfache erhöht. 60 Millionen Menschen konnten sich aus der Armut herausarbeiten. In China leben jetzt offiziell 4 Prozent der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze. Zum Vergleich: Laut Zensus von 2015 haben die USA eine Armutsrate von 13,5 Prozent; und in Österreich haben 14 Prozent der Bevölkerung ein Einkommen, das unter der Armutsschwelle liegt. Ein Wachstum von mehr als 6 Prozent wird auch weiterhin nötig sein, um das von der Partei im Jahr 2010 festgelegte Ziel - und den innerparteilichen Gradmesser für den Erfolg von Xis Politik - der Verdoppelung des realen chinesischen Bruttonationalprodukts bis 2020 zu erreichen.

Das Schlagwort des chinesischen Traums vom Wiedererstehen der großen und schönen chinesischen Nation prägte Xi erstmals im Herbst 2012 anlässlich eines Besuches im Nationalmuseum in Peking. Der Begriff hat literarische Konnotationen, war aber ansonsten recht inhaltsleer. Wie bei jeder wichtigen Vorgabe von höchster Parteistelle begannen sich aber sofort die verschiedensten Akteure der chinesischen Gesellschaft - Universitäten, Privatunternehmen, Medien und andere - mit dem Terminus und seinen möglichen Implikationen für ihre je eigene Arbeit zu beschäftigen, ihn mit Bedeutung zu füllen und nach und nach auch für ihre je eigenen Zielsetzungen dienstbar zu machen.

Eine inhaltliche Komponente des chinesischen Traumes, die ich besonders erwähnenswert finde, ist die ökologische Dimension. Es ist bekannt, dass China mit großen Umweltproblemen kämpft. Weniger bekannt ist, wie systematisch sich China in den vergangenen Jahren damit beschäftigt hat, den in der chinesischen Kultur tief verankerten Grundsatz der harmonischen Koexistenz von Mensch und Natur wieder in Politik und Wirtschaft durchzusetzen. Der Begriff, der dafür verwendet wird, ist übersetzt "Ökologische Zivilisation" ("sheng tai wen ming" - vage entsprechend unserer "Nachhaltigen Entwicklung").

Ökonomie und Ökologie

Diesen Begriff verwendete Xi bei seiner Rede vor dem Parteikongress mehrfach. Dies ist umso bedeutsamer, als - wie aus Untersuchungen von China-Spezialisten hervorgeht, die die Schlüsselworte der Reden des 18. und des 19. Parteikongresses miteinander vergleichen - der Begriff "Ökologische Zivilisation" vor fünf Jahren überhaupt nicht vorkam. Heuer nannte Xi ihn zwar nicht so oft wie andere neue Schlüsselworte (etwa "Nationales Wiedererstehen", oder "Chinesischer Traum"), aber interessanterweise öfter als sein außenpolitisches Paradeprojekt der neuen Seidenstraßen und auch öfter als das "Schöne China".

Aufgebaut wurde das china-weite Bewusstsein für die Bedeutung der Integration von Ökonomie und Ökologie durch eine jährlich stattfindende, vom Staatsrat formell beauftragte Konferenz, das Eco Forum Global in Guiyang, der Hauptstadt der Provinz Guizhou. Der Spiritus Rector des Eco Forum Global und gleichzeitig auch Präsident der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature), Ex-Minister Zhang Xinsheng, hat übrigens am Europäischen Forum Alpbach 2017 teilgenommen.

Gemeinsam mit Delegationen aus Österreich hatte ich als Botschafterin in Peking jährlich die Gelegenheit, den Fortschritt in der Entwicklung des ökologischen Diskurses in China zu beobachten und zu sehen, wie die intellektuelle Beschäftigung mit relevanten Fragen - nehmen wir sogenannte Green Bonds als Beispiel - von der Politik aufgegriffen wurde.

So wurde etwa im Juni 2017 vom Staatsrat beschlossen, über Empfehlung des Eco Forum Guiyang in einer Reihe von chinesischen Provinzen Proberegionen für grüne Finanzierungsweisen einzurichten. Die Stellvertretende Parteisekretärin von Guiyang, Shen Yiqing, die das Eco Forum Global jahrelang treu begleitete, wurde zur Geschäftsführenden Gouverneurin der Provinz Guiyang befördert, ein deutliches Zeichen in einer fast rein männlichen Führungsklasse.

Im Kampf gegen den Klimawandel sitze China nunmehr "auf dem Fahrersitz" der internationalen Bemühungen, sagte der Chinas Staatspräsident. Für die Zukunft kündigte Xi an, dass China Behörden für die Bewirtschaftung von Naturgütern in staatlichem Eigentum und zum Monitoring der Ökosysteme einrichten und ein Netz von Nationalparks entwickeln werde.

Die Vertragsparteienkonferenz der Klimakonvention Mitte November in Bonn wird eine erste Gelegenheit sein, die Umsetzung der chinesischen Ankündigungen zu verfolgen.