Zum Hauptinhalt springen

"Veränderung" oder doch nur alles wie gehabt?

Von Sabine Seidler

Gastkommentare
Sabine Seidler ist Rektorin der Technischen Universität Wien. Die gebürtige Deutsche ist promovierte Werkstoffwissenschafterin. Foto: Raimund Appel

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob ein "neues Denken von Wissenschaft" gelingt.


Um Wirtschaft, Industrie und Forschung auch in Zukunft technisch und naturwissenschaftlich exzellent ausgebildete Absolventinnen und Absolventen und überdurchschnittliche Forschungsexpertise zur Verfügung zu stellen, bedarf es dringend eines auf die Erfordernisse von Lehre, Forschung und Infrastruktur abgestimmten Modells einer kapazitätsorientierten und studierendenbezogenen Hochschulfinanzierung. Nur so wird zukünftig der Status Österreichs als Technologie- und Innovationsstandort im internationalen Wettbewerb gewährleistet werden können.

Das kommt Ihnen bekannt vor? Sollte es auch. Ähnlich lautende Forderungen werden von den verschiedensten Stakeholdergruppen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen vorgebracht. Eigentlich unglaublich, dass wir dieses Thema immer wieder diskutieren müssen. Dabei liegt die Lösung im Moment auf der Hand: Als Ergänzung zum im Juni vom Nationalrat beschlossenen Universitätsbudget für die Leistungsvereinbarungsperiode 2019 bis 2021 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Finanzierung der Universitäten zu schaffen, die eine Studienplatzfinanzierung und -bewirtschaftung mit Möglichkeiten zur aktiven Lenkung der Studierendenströme sicherstellt und eine adäquate Forschungsfinanzierung gewährleistet.

Geregelter Zugang zum Studium darf dabei nicht als "Verhinderung", sondern muss als Chance wahrgenommen werden. "Geregelt" bedeutet eben nicht "beschränkt", aber ohne Regelung ist es mittel- und langfristig ausgeschlossen, dass junge Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten und Talenten einen Studienplatz wählen und unter angemessenen Studienbedingungen studieren können.

Für alle Universitäten mit Forschung und Lehre im naturwissenschaftlich-technischen Bereich ist die Einhaltung des politischen Versprechens, erstmals die MINT- Kernfächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) tatsächlich finanziell zu stärken, besonders wichtig; aber die hohe Dynamik, mit der technischer und gesellschaftlicher Wandel im Moment vonstattengehen, stellt auch den geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich vor viele neue Forschungsfragen. Eine für die Forschung generell zu meisternde Herausforderung wird es sein, diese verschiedenen Bereiche zusammenzubringen.

Digitalisierung und Informatik sind wichtig für die Zukunft

Auch wenn die Digitalisierung manchem als Hype erscheint: Derzeit werden überall in der Welt massiv Kapazitäten im Fachbereich Informatik aufgebaut. Reagiert Österreich nicht rechtzeitig, werden unsere vielversprechenden Informatiktalente in den kommenden Jahren abwandern. IKT-Forschung und -Ausbildung müssen deshalb besonders gefördert werden, nicht zuletzt auch, um die Ansiedlung und Gründung von IT-Unternehmen in Österreich zu fördern.

Unsere Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung kann dabei nicht allein in der besseren technischen Ausstattung von Schulen und Schülern liegen. Sicher, auch das ist wichtig, aber mindestens genauso wichtig ist die Arbeit mit den Menschen in Form von Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten in den verschiedensten Alters- und Qualifikationsstufen. Wir müssen wieder Neugier auf das Wie wecken und das Warum, das kritische Hinterfragen, fördern.

Österreich soll bis 2020 in die Gruppe der Innovation-Leader aufsteigen. Geld spielt dabei eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle. Wissenschaftliches Arbeiten lebt von internationaler Kooperation und Vernetzung. Es muss uns bewusst sein, dass unser Forschungs- und Innovationssystem davon abhängig ist, zum Studieren und zum Arbeiten die besten Köpfe nach Österreich zu holen beziehungsweise diese in Österreich zu halten. Das wird mit einer Politik nach dem Motto "Austria First" jedoch nicht möglich sein.

Neben der Internationalität wird die zukünftige politische Verankerung von Wissenschaft und Forschung ebenfalls ein wichtiges Kriterium zur Erreichung dieses Zieles sein. In der Vergangenheit eher als "Verschubmasse" betrachtet, wäre an dieser Stelle ein Ansatzpunkt, wirklich innovativ zu sein und die Stimmen jener, die sich für die Bündelung von Wissenschaft einsetzen, zu hören.

Die Politik sollte an einem Strang ziehen

Eine ganzheitliche Abbildung von Wertschöpfungskreisläufen, getragen von Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitärer Forschung, die Verknüpfung mit Innovation und unter Einbindung aller Forschungsförderungsinstrumente von der Grundlagen- bis zur angewandten Forschung würde zu einer erheblichen Schwungmasse führen, die noch dazu Mehrgleisigkeiten zu vermeiden hilft.

Letztlich würde ein derart organisiertes Ministerium auch bedingen, dass die Akteurinnen und Akteure der Regierungsparteien im Bereich Wissenschaft, Forschung und Innovation an einem Strang ziehen müssen. Eine wirklich verlockende Vorstellung. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob ein "neues Denken von Wissenschaft" gelingt.