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Von St. Pölten lernen

Von Peter Diem

Gastkommentare

Das "Haus der Geschichte Österreich" ist gut unterwegs. Man blickt dabei auch nach Niederösterreich.


Es ist ein seltsames Gefühl, ein Haus zu betreten, dessen Eingangstür noch nicht durchgebrochen wurde. Besonders, wenn die Zimmer 4,70 Meter Raumhöhe aufweisen und als Appartement für eine Kaiserin bestimmt waren.

Bei einer Baustellenführung vergangene Woche durch die künftigen Ausstellungsräume des "Hauses der Geschichte Österreich" in der Neuen Burg wurden einige Details des Projekts bekannt, während über vielen anderen Vorbereitungen noch ein dichter Mantel des Schweigens liegt. Gleich beim Betreten des Eingangsbereichs an der Schwelle zum Ephesos-Museum wurde ersichtlich, wie man mit der heiklen Frage des Althans (vulgo Hitler-Balkon) umzugehen beabsichtigt. Unter weißen Tüchern steht dicht an der Tür zum geschichtsträchtigen Balkon die von der Klimt-Stiftung ersteigerte und zur Verfügung gestellte Regierungsbank aus dem Haus am Ring. Es ist geplant, dieses Objekt nicht nur als Symbol der Demokratie dem berüchtigten Symbol des "Anschlusses" von 1938 gegenüberzustellen, sondern auch zu "bespielen", also für demokratiepolitische Diskussionen und Übungen einzusetzen.

In den vom Kulturressort ohne hinreichende Begründung auf ein Drittel der ursprünglich geplanten Fläche reduzierten Räumlichkeiten soll ein sehr dichtes und mit viel digitaler Technik unterstütztes Ausstellungs- und Instruktionsprogramm verwirklicht werden. Vorbei an einer "sensationellen" Installation (so Architekt Moser von BWM) wird man die Räume über ein Foyer betreten, in dem sich rechts ein kleines Cafè und links eine Diskussionslounge befinden werden. Der erste Ausstellungsraum, noch im imperialen Dekor der Jahrhundertwende, wird der Periode bis 1918 gewidmet sein. Im Gegensatz zum reinen Cluster-Konzept des "Hauses der Geschichte Niederösterreich" will man im daran anschließenden, durch die Entfernung von Zwischenwänden sehr großen Raum zwar auch sogenannte Informationsinseln bilden, diese aber entlang einer Zeitlinie anordnen.

Viel Enthusiasmus, aber auch ein wenig Blauäugigkeit

Im Rahmen der Gebäudeführung stellten Generaldirektorin Johanna Rachinger und die Direktorin des "Hauses der Geschichte", Monika Sommer-Sieghart, ihr Team vor: 15 insgesamt vergleichsweise sehr junge Damen und Herren aus den verschiedensten Fachgebieten - der Bogen reicht von Zeitgeschichte bis Grafik und Marketing. Auf sie wartet viel Arbeit, soll das Haus pünktlich am 12. November 2018 mit einer Ausstellung über "100 Jahre Republik" eröffnet werden. Im Gespräch mit den Mitarbeitern spürte man viel Enthusiasmus, doch manchmal auch ein wenig Blauäugigkeit. Vielleicht sollte man dagegen einen gelegentlichen Dialog des Teams mit erfahrenen externen Fachleuten einsetzen.

Dabei zeigte man sich durchaus informiert über Details, die bei der "Konkurrenz" (im gerade fertiggestellten "Haus der Geschichte Niederösterreich") nicht so gut gelungen sind, wie etwa die zu kleine und damit schlecht lesbare Beschriftung der Objekte oder die zu wenig deutliche Orientierung auf dem Weg durch die verschiedenen Cluster.

Die Beschriftung von Ausstellungsobjekten erfolgt heutzutage prinzipiell auf Deutsch und Englisch. Das reduziert natürlich den zur Verfügung stehenden Platz für den Text um die Hälfte. Wie wichtig lesbare und verstehbare Beschriftung ist, erfährt man etwa bei einem Besuch der heute wunderbar restaurierten Kunstschätze in der Tschechischen Republik, wo alles leider nur tschechisch erläutert wird. Das Problem, dass eine Überfülle von Objekten - wie in St. Pölten - die Besucher "erschlagen" könnte, wird es in der Hofburg nicht geben. Die Ausstellung wird ja nur über wenige "Hands-on-Objekte" verfügen und muss daher gezwungenermaßen ein Schwergewicht auf digitale Umsetzungen legen.

Das birgt einerseits die Gefahr in sich, vor allem mit "Flachware" (Bilder und Projektionen) vor die Besucher zu treten, andererseits bietet die moderne Infomationstechnik bisher ungeahnte Möglichkeiten der Interaktion mit dem Publikum. So ist daran gedacht, schon bei der Gestaltung des kommenden Internetauftritts des "Hauses der Geschichte" interaktive Elemente einzubauen, die es ermöglichen werden, über das Netz von überall her am Ausstellungsgeschehen mitzuwirken. Auch an eine Kooperation mit dem österreichischen Wissensnetz "Austria-Forum" ist gedacht. Dieses umfasst mehr als 900.000 Einträge, darunter 200.000 Bilder über Geschichte und Kultur Österreichs. Die Idee dazu stammt vom bekannten Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Man wird sehen, ob sich die sich diesbezüglich bereits andeutenden bürokratischen Hürden überwinden lassen. Man muss nämlich wissen, dass die rechtliche Konstruktion des "Hauses der Geschichte" als "Schoßkind" der Nationalbibliothek das kommende Museum unter viele bürokratische Zwänge stellt. So wird es etwa als rechtlich unmöglich bezeichnet, dem Haus eine Handbibliothek mit Österreich-Literatur zu stiften.

Werden einseitige Begriffe entsprechend hinterfragt?

Mehr als für die erwähnten museumstechnischen Fragen wird sich die Öffentlichkeit natürlich dafür interessieren, wieweit es dem wissenschaftlichen Team gelingt, in der Darstellung des "langen
20. Jahrhunderts" dem hohen Anspruch nach zeitgeschichtlicher Objektivität zu entsprechen. Leider hat der Gesetzgeber keinen Wert darauf gelegt, dass das ganze 18. Jahrhundert in die Betrachtung einbezogen wird, an dessen Anfang ja die staatsrechtliche Identität Österreichs begründet wurde. Doch bietet die Zeit seit der bürgerlichen Revolution des Jahres 1848 genügend Stoff zur Auseinandersetzung über Entstehen und heutiges Wesen der Nation. Werden die Wirren und Erfolge der Republikgründung 1918/19 in ihrer ganzen - auch emotionalen - Breite dargestellt werden? Werden einseitige Begriffe wie "Arbeitermörder" und "Austrofaschismus" entsprechend hinterfragt werden?

Dem sich auf einem guten Weg befindlichen Projekt ist viel Erfolg zu wünschen. Seine Konstruktion ist wie sie ist. Aber: Österreich bekommt nach zwei Jahrzehnten der Diskussion nun wirklich ein "Haus der Geschichte der Nation".

www.peter-diem.at

www.haus-der-geschichte.at