Die derzeitige Lage in Österreich und in der EU ist etwas visionslos, wie auch Walter Hämmerle jüngst in der "Wiener Zeitung" festgestellt hat. Dies ist bedauerlich, da Gemeinschaften ohne Ideale vom Zerfallen bedroht sind. Es wäre daher nun an der Zeit, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen, die mehr Respekt und Toleranz für verschiedene Lebensformen kultiviert und die auch eine gemeinsame Perspektive verbindet.

Reinhard Viertl ist im Fach Stochastik und ihre mathematischen Grundlagen habilitiert. Er war Vorsitzender der Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals der österreichischen Universitäten und Ordinarius für Angewandte Statistik an der Technischen Universität Wien.
Reinhard Viertl ist im Fach Stochastik und ihre mathematischen Grundlagen habilitiert. Er war Vorsitzender der Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals der österreichischen Universitäten und Ordinarius für Angewandte Statistik an der Technischen Universität Wien.

Mehr Gewissenhaftigkeit und Gemeinschaftssinn sowie weniger Hektik würden die Lebensqualität sicher erhöhen. Auch sollten die verschiedenen Begabungen der Menschen schon im Schulwesen gefördert werden, statt auf den verschiedenen Schwächen der Schüler herumzureiten. Um dies zu erreichen, müssten die politischen Entscheidungsstrukturen geändert werden, da das derzeitige System dazu anscheinend nicht in der Lage ist.

Daher fragt man sich, welches politische System geeignet wäre, um dies zu erreichen. Die Demokratie ist gut, aber manche ihrer derzeitigen Facetten sind fragwürdig. Sind einfache Mehrheiten im Gesetzgebungsorgan für Gesetze und ähnliche Regelungen wirklich überzeugend? Wenn beinahe die Hälfte der Volksvertreter überstimmt werden kann, ist die kurzfristige Novellierung von Gesetzen eigentlich programmiert.

Wenn man von qualifizierten Mehrheiten spricht, geht die Diskussion in Richtung größerer Mehrheiten, die für einen Gesetzesbeschluss notwendig sein sollten. Auf diese Weise müssten auch tragfähigere Kompromisse entstehen, die etwas dauerhafter Gültigkeit behalten. Dafür könnte man zu einem Einkammersystem kommen, das den Bundesrat in seiner derzeitigen Form überflüssig machen würde. Solche politischen Systeme gibt es in durchaus erfolgreichen Staaten.

Außerdem sollten die vorgesehenen Legislaturperioden eingehalten werden müssen. Verantwortungsvolle Politiker müssten dazu wohl in der Lage sein. Die gigantische Verschwendung von Steuergeldern durch vorgezogene Wahlen ist wohl kaum zu rechtfertigen. Bedenkt man, dass die Funktionsperiode des österreichischen Nationalrats vor nicht allzu langer Zeit verlängert wurde, wundert man sich über die Realität.

Im Sinne echter Demokratie und der vielzitierten Unabhängigkeit von Legislative und Exekutive wäre ein Persönlichkeitswahlsystem für den Nationalrat und die Länderparlamente, bei dem Personen namentlich in geeigneten Wahlkreisen gewählt werden, wünschenswert, da so ermittelte Abgeordnete selbstverantwortlich und wirklich demokratisch legitimiert wären. Auch dafür gibt es bewährte Beispiele in stabilen Demokratien. So entstünde mehr persönliche Verantwortung der Mandatare anstelle des zweifelhaften Klubzwangs, der die Verantwortung der Abgeordneten konterkariert.

Außerdem entstünde damit durch den Kontakt der Wähler mit den Abgeordneten mehr Identifikation der Bevölkerung mit dem politischen System, was für die Stabilität der Gemeinschaft unerlässlich ist. Soll unsere Gesellschaft weiterentwickelt werden und nachhaltig bestehen, ist diese Identifikation dringend nötig.