Zum Hauptinhalt springen

Das neue Bildungspaket: retro, inhaltsleer oder zukunftsfest?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Worum geht es bei den Vorschlägen der Regierungsverhandler zur Bildungspolitik wirklich?


Die Vorschläge der Regierungsverhandler zur Bildungspolitik haben eine Lawine lebhafter Reaktionen hervorgerufen, die von Verteufelung ("neoliberal") bis zur Ausrufung des Endes der "Kuschelpädagogik" reichen. Dass ein nebensächlicher Aspekt im Vordergrund des öffentlichen Interesses stand, die Ziffernnoten, ist typisch für die bildungspolitische Diskussion hierzulande.

Worum geht es wirklich? Erstens um die volle Ausschöpfung des geistigen Kapitals dieses Landes, insbesondere um das Skandalon, dass Bildung im Wesentlichen vererbt wird und mehr als ein Fünftel der 14-Jährigen nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann. Zweitens um die Vermittlung einer zukunftsorientierten Berufsqualifikation, Stichwort "Digitalisierung", als Voraussetzung einer eigenverantwortlichen materiellen Existenz. Drittens um die Vermittlung von Werten, Fähigkeiten und Wissen, um über die reine Berufsqualifikation hinaus ein erfülltes Leben führen zu können.

Es geht darum, die Schwächen von Kindern aus benachteiligten Milieus zu bekämpfen, besondere Begabungen zu fördern und das Bildungssystem leistungsfähiger und -orientierter zu gestalten. Jahrzehnte idealistischer bzw. gruppenegoistischer Bildungspolitik haben das offensichtlich nicht geschafft. Die bildungspolitischen Vorschläge klingen - zumindest für gebildete Nichtbildungswissenschaftler - vernünftig und können einen wesentlichen Beitrag zur strukturellen Verbesserung des österreichischen Wirtschaftsstandorts leisten.

Vorrang der Beherrschung der deutschen Sprache als Voraussetzung für eine wirkungsvolle Vermittlung des Unterrichtsstoffes durch Aufwertung der Kindergärten und durch Sonderunterricht. Soweit nötig, Bewusstseinsschaffung bei den Eltern für die Bedeutung der Schulbildung ihrer Kinder, durchaus auch mit monetären Sanktionen, wenn es anders nicht geht. Möglichkeit der Einführung von Leistungsgruppen, deren Ziel natürlich die Heranführung schwächerer Kinder an geforderte Standards sein muss, aber auch die gezielte Förderung Hochbegabter. Weitere innerschulische Differenzierungsmaßnahmen im Rahmen einer erweiterten Schulautonomie. Ausbau der (verschränkten!) Ganztagsschulen. Systematische und transparente(!) Evaluierung der einzelnen Schulen als Orientierungshilfe für Eltern, Politik und die Schulen selbst. Stärkung der österreichischen Erfolgsmodelle Lehre und höhere technische Lehranstalten. Und - horribile dictu - leistungsorientierte Bezahlung der Lehrkräfte.

Das Langfristziel einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen bleibt erwartungsgemäß außer Betracht. Das ist schade, weil sie ein großer Schritt zum Ziel einer Verringerung der Benachteiligung von Kindern aus unteren Schichten wäre.

Ja, die Vorschläge der Regierungsverhandler basieren auf einer stärkeren Leistungs- und Wettbewerbsorientierung und fordern damit massiv bestimmte Teile der Eltern, der Unterrichtenden und vor allem auch der Kinder. Auch wenn man es als retro diskreditiert: Befindlichkeit und Spaß der Kinder zur Leitschnur des Unterrichtens zu machen, kommt letztlich wieder nur den Kindern aus Bildungsmilieus zugute, wo außerhalb der Schule oder durch entsprechende Schulwahl gegengesteuert wird.